An der Mittelstation - Fortsetzung der Debatte zu Inflation und Deflation

Vol.6: Warum die EZB ihre Kritiker bisher Lügen straft.

Peter Michael Lingens und ich haben uns an dieser Stelle im vergangenen Jahr eine ziemlich ausführliche Debatte zu der Frage geliefert, ob die EZB Staatsanleihen kaufen soll um den Markt mit Liquidität zu fluten und eine drohende Deflation zu bekämpfen.

Kurz gesagt war Lingens' Position: Ja, sollte sie, denn die Gefahren einer Deflation sind größer als die einer überhöhten Inflation durch "Quantitative Easing".

Meine Position war: Nein, sollte sie nicht, denn derartige Geldausschüttungen führen zu Verwerfungen und stellen de facto (wenn auch nicht de jure) einen Bruch der EZB-Regeln dar (Staatsfinanzierung).

Es ist nicht geschehen

Mich hat diese Debatte im Hintergrund weiter beschäftigt und ich habe versucht, so viel wie möglich über das "Quantitative Easing" der EZB zu erfahren. Wer meine Artikel kennt, der weiß, dass ich die Story der "Wahnsinnigen Gelddrucker in der EZB" nicht so recht glauben will. Ich war in der Debatte lediglich der Meinung, dass die "Deflationsgefahr" übertrieben wird - auch wenn man im Notfall eine echte monetäre Deflation auf jeden Fall verhindern muss. Und zwar zum Wohle aller.

Ich muss die Deflationsgefahr unterschätzt haben, denn die EZB hat entschlossen gegengesteuert. Und wie es scheint, zu recht. Hohe Inflation ist zwar auch nicht wünschenswert, aber eine "milde Inflation", wie sie die EZB als Preisstabilität definiert (also knapp unter zwei Prozent), damit kann man gut leben. Das ist der "sweet spot" zwischen gefährlicher Deflation und gefährlicher Inflation.

Meine Sorge in der Debatte war konkret, dass die EZB es übertreibt und eine hohe Inflation auslöst. Diese Sorge wurde auch von einigen innerhalb der EZB geteilt (namentlich der Bundesbank).

Aus heutiger Sicht muss man sagen: das ist nicht geschehen. Wenn überhaupt, besteht immer noch eine leichte Deflationsgefahr - weshalb Draghi ja weitere Anleihen-Käufe hat anklingen lassen.

Anders gesagt: Lingens hatte recht. Draghi hatte recht. Und ich hatte unrecht. Deshalb habe ich auch vergangene Woche diesen Leitartikel geschrieben.

Ich muss Fakten berichten

Ich möchte dazu erläutern: Es hat null Zweck, weder für mich noch für meine Leser, wenn ich lernresistent auf meiner eigenen Meinung beharre. Als Journalist bin ich verpflichtet, die Fakten zu berichten, nicht mein Weltbild. Und die Fakten stellen sich so dar: Aus heutiger Sicht erfüllt die EZB ihr Mandat zur Gänze. Und sie scheint gewillt, dies bis zum Äußersten zu tun - was auch immer das sein mag. Dieses Mandat verpflichtet sie zu "milder Inflation" (knapp unter zwei Prozent). Wenn das erreicht ist, "darf" sie auch andere Ziele der Union unterstützen.

Lesen Sie selbst!

EZB-Mandat
EZB-Mandat

Kann es sein, dass die EZB hier zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat? Denn die Lockerung der Geldpolitik hat ja gleichzeitig die Inflationserwartungen angeschoben und den Staaten ein bisschen Luft verschafft.

Nein, ich breche jetzt nicht in Begeisterung aus. Nein, ich lobe auch den Tag nicht vor dem Abend. Die Gefahren einer lockeren Geldpolitik wurden von mir ausführlich dokumentiert. Die Herausforderungen sind enorm, sowoh für die EZB als auch für die Staaten in Europa. Ich werde die Entwicklungen weiterhin kritisch begleiten.

Den Tag nicht vor dem Abend loben

Aber wenn Draghi seine Kritiker (mich eingeschlossen) bisher Lügen straft. Wenn die Währung stabil bleibt - und das tut sie bis dato - dann ist das ja positiv. Auch für seine Kritiker. Denn die Alternative wäre in jedem Fall wenig wünschenswert, oder? Besser der Journalist liegt falsch als der Notenbanker. Denn der Journalist kann dazu lernen.

Die EZB wird den Geldhahn solange aufgedreht lassen, bis die Inflationserwartungen wieder da sind. Und sollte die Inflation über zwei Prozent schießen, wird sie wieder drosseln. Das ist ihr Job. Dafür wird sie bezahlt. Und bisher tut sie ihren Job ganz gut. Auch darauf muss man mal hinweisen. Auch, damit Kritik glaubwürdig bleibt.

Dazu vielleicht noch eines: Wer meinen Leitartikel aufmerksam liest, wird feststellen, dass die EZB sich meiner Meinung nach der Bedeutung einer "harten" Währung durchaus bewußt ist. Aber sie weiß auch, dass eine Währung die "zu hart" ist (Deflation) keine Vorteile für die Volkswirtschaft bringt. Hier muss man zwischen monetärer und "echter" Deflation unterscheiden. Echte Deflation tritt dann auf, wenn Preise durch Effizienzssteigerungen und Wettbewerb fallen. Das ist die "gute" Deflation. Die "schlechte" Deflation ist eine Kontraktion der Geldmenge in einem Fiat-Money System.

Wie hier beschrieben, verstehe ich den Euro als ein "faires" Fiat-Money, der einerseits übermäßige Inflation verhindern soll und andererseits die Existenz echter Auswege für Sparer durch einen freien, physischen Goldmarkt sicherstellt. Monetäre Deflation ist allerdings (so wie Hyperinflation) nichts anderes als die Zerstörung des Geldsystems. Und der Zerstörung ihres eigenen Systems muss die EZB natürlich gegensteuern, oder nicht?

Und wenn es schief geht? Dann wechseln wir eben wieder zu nationalen Währungen und fangen dort wieder an. Aber das ist eine andere Geschichte.

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