Je mehr Schüler sitzen bleiben, desto besser sind unsere Schulen

Die Zeit ist wieder gekommen, in der Österreichs Schulen ihre hungrigen Rachen aufreißen, um so manchen über den Sommer...

Die Zeit ist wieder gekommen, in der Österreichs Schulen ihre hungrigen Rachen aufreißen, um so manchen über den Sommer angestreberten und über die Jahre eingeschüchterten Schüler zwischen ihren Zähnen zu zermalmen und als zerschürften Verlierer der Wiederholungsprüfungsschlacht wieder auszuspeien. So oder zumindest so ähnlich werden jene 40.000 Kinder die kommenden Tage erleben, deren Traum, in die nächste Schulstufe aufsteigen zu dürfen, ein jähes Ende nehmen wird.

Doch auch wenn für diese Kinder die Welt zusammenbrechen wird, etwas Gutes hat die Sache dennoch: Viele sitzenbleibende Schüler bedeuten immerhin auch, dass die Schulen des Landes hohe akademische Ansprüche stellen, ambitionierte Ziele setzen, ein zielorientiertes Lehrpersonal haben, das darauf schaut, dass „was G’scheits“ gelernt wird usw., oder nicht?

Falls Sie auch so denken, falls Sie also zu jenen Schülern gehörten, die vor dem Lehrer am meisten Respekt hatten, der eine Durchfallquote von 30 Prozent hatte, falls Sie auch gerne in jenes Elitegymnasium gegangen wären, das regelmäßig von 130 Schülern in der fünften auf 40 in der achten Klasse ausmistete, falls Sie also auch denken, dass ein paar unter die Räder gekommene Schüler der Preis für ein ambitioniertes akademisches Programm sein müssten, dann muss ich Sie leider enttäuschen: Sie irren!

Temporäre Lagerstätten für Supergescheite

Lehrer, die sich dafür rühmen, dass jährlich mindestens fünf Schüler bei ihnen durchfallen, sind bedauernswerte Narzissten, die ihren Auftrag nicht verstanden haben. Es sollte nicht darum gehen, was die anderen (hauptsächlich Lehrerkollegen und Schülereltern) von ihnen denken, sondern dass alle Schüler ihr Potential erfüllen und die Lernziele erreichen. Wenn nötig auch durch ein bisschen Extraarbeit und Einsatz für die schwächeren Schüler.

Schulen, die sich dafür rühmen, dass sie ausmisten und nur die besten durchkommen lassen, sind in Wirklichkeit oft nicht mehr als temporäre Lagerstätten für Supergescheite, die auch ohne großen Aufwand – weder vonseiten der Lehrer noch ihrerseits – super gescheit sind. Wie pädagogisch anspruchsvoll war es wohl, Einstein Physik und Mozart Musik zu unterichten?

Wenn Sie jedoch nicht zu den in Absatz drei beschriebenen Menschen gehören, dann gratuliere ich Ihnen und bedanke mich, dass Sie trotzdem bis hierher gelesen haben. Es zeugt davon, dass Sie eine gute Erziehung genossen haben und nicht vorschnell urteilen.

(Und nein, ich bin weder frustriert, weil meine Frau, mein Kind oder meine Katze irgendwo durchgefallen ist, noch muss ich mich bei irgendwem „eingriasln“.)

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