Was die österreichische Schule braucht – Drei Ansätze (Teil 2)

Nachdem wir uns im letzten Eintrag den Köchen und deren Ausbildung gewidmet haben, um beim Bild unseres Szenelokals zu bleiben, wollen wir heute über die Auswahl der Speisen nachdenken, die dort angeboten werden. Auf unsere Schule umgelegt heißt das, dass wir der Frage nachgehen, was in unseren Bildungseinrichtungen unterrichtet werden sollte.

Die Wirtschaft diktiert

Es verwundert nicht, dass die Industriellenvereinigung (unter anderem) versucht, ihre Hand am heimischen Schulsystem anzulegen, braucht sie doch unseren Nachwuchs, um ihr Ziel, den Industrie- und Arbeitsstandort Österreich und Europa zu stärken, durchzubringen. Die Wirtschaft fordert also Kompetenzen, die ihnen unsere Schulen auch prompt liefern: Phänomene wie die „standardisierte kompetenzorientierte mündliche Reifeprüfung in den lebenden Fremdsprachen“ etwa (was für ein "Bling"!) werden mit frenetischem Beifall begrüßt. Die OECD definiert mit den PISA-Ergebnissen im Rücken Schlüsselkompetenzen wie etwa die "Fähigkeit zur interaktiven Anwendung von Technologie", welche es von nun an auch zu erreichen gilt. Und bei der Lektüre eines Textes im Deutschunterricht geht es beispielsweise um Kompetenzen wie "die Korrelation der formalen Aspekte mit dem Textinhalt erkennen" und nicht mehr um das Werk selbst.

Die Schule verliert

Konrad Paul Liessmann hat in seiner Streitschrift "Geisterstunde"* darauf hingewiesen: Je mehr unsere Schulen Kompetenzen vermitteln, desto weniger Zeit bleibt ihnen, Wissen weiterzugeben (ja, weitergeben. Ist kein böses Wort!). Unsere Bildungseinrichtungen werden immer mehr zu Ausbildungseinrichtungen und führen sich selbst wohl bald ad absurdum, denn was bringt die Kompetenz, mit Wissen umgehen zu können, wenn man kein Wissen hat?

Die Substanzlosigkeit in den Fächern ist jedoch nicht die einzige fachliche Veränderung in unseren Klassenräumen. Dort werden Schulfächer auch munter gekürzt, ersetzt oder zusammengefasst – alles an dem ausgerichtet, wonach der Arbeitsmarkt dürstet. Dies führt jedoch nicht nur zu körperlicher Trägheit und Dickleibigkeit (wenn Bewegung und Sport, Skikurse und Wandertage gekürzt werden) und einer moralischen und kulturellen Leerstelle (wenn der Religionsunterricht etwa durch Schulfächer wie "Ethik", "Mindfulness", "Glück" oder "Erwachsenwerden" ersetzt wird) sondern auch zu einer Unschlüssigkeit bei der Wahl eines zukünftigen Studiums (wenn die Fächer Geographie und Geschichte im Fach "Welt, Zeit, Gesellschaft" etwa zusammengefasst und verwaschen werden).

Bei allen Bestrebungen, den Menschen zu einem Performer auszubilden, könnte man übersehen, dass das Leben aus mehr besteht, als aus einer gewinnbringenden Leistung am Arbeitsplatz: eine packende Erzählung, ein erschütterndes Gemälde, eine emotionale Symphonie, ein mitreißendes Theaterstück. Eine Tiefschneeabfahrt. Ein heißer Tee danach. Philosophie, Ethik, Glaube. Sie alle sind Teil unseres Lebens und definieren uns als Menschen. Da sie jedoch weder unser PISA-Ergebnis verbessern noch direkt mit der ausgewiesenen Summe am Gehaltszettel in Verbindung zu bringen sind, sind sie auch die ersten, die den Hut nehmen müssen, wenn sich noch mehr Kompetenzorientiertheit breit macht. Was für ein Verlust für die Menschheit!

Fazit

Entgegen dem aktuellen Trend, unsere Schulen zu reinen Ausbildungsstätten zu machen, sollten Schulen Bildungseinrichtungen bleiben, in denen Schüler nicht nur Kompetenzen sondern auch Wissen erwerben sollen und mit dem Schönen, dem Guten, dem Wahren konfrontiert werden. Denn auch wenn es wichtig ist, den Schülern das mitzugeben, was sich der Markt von ihnen wünscht, dürfen wir nicht vergessen, dass der Mensch aus mehr besteht, als aus dem, was sich mit barer Münze aufwiegen lässt. Wir brauchen uns nicht dafür zu schämen, unserem Nachwuchs neben Kompetenzen eben auch Inhalte und Werte zu vermitteln.

* Liessmann, Konrad Paul: Geisterstunde: Die Praxis der Unbildung. Eine Streitschrift. Wien: Paul Zsolnay Verlag, 2014.

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