Wie viel Eltern verträgt eine Schulbildung?

Nur weil die Abende jetzt um eine Stunde früher anbrechen, heißt das noch lange nicht, dass man als Eltern mehr Zeit für Vokabelwiederholungen, Referatsvorbereitungen und Elternabende hat. Oder mehr Lust. Doch vielleicht sollte man.

Wenn man als Lehrer um die Ecke seiner Schule wohnt, muss oder darf man sich allmorgendlich seinen Weg durch junge Menschen bahnen, die ihren Eltern schnell noch eintrichtern, was diese nicht tun dürften, sobald man um die Ecke gebogen ist: Ja kein Kuss! Und schon gar keine peinlichen Spitznamen! Durch die Haare fahren? Wage es ja nicht! Und was die kleine Schwester angeht: Keiner darf uns je gemeinsam das Schulhaus betreten sehen – ich bin doch nicht ihr Babysitter! Am besten wäre ohnedies, unsere Wege würden sich hier trennen, hört man dann. Denn die Eltern von Lucas seien viel cooler (was man übrigens schon am „C“ im Namen sehen könne) und man wolle sich schließlich nicht schämen müssen. Und unser Auto? Auch erbärmlich. Also tschüss!

Manchen Kindern scheint es also am liebsten zu sein, wenn ihre Eltern einen großen Bogen um die Schule machen würden. Auch lernen wollten sie lieber alleine oder im besten Fall noch mit Lucas. Und viele Eltern springen auf diesen Zug auf.

Doch dann gibt es auch jene Erziehungsberechtigten, die sich dabei nicht ganz so wohl fühlen und Fragen stellen wie: Sollte ich als Mutter nicht bei den Hausaufgaben helfen? Wäre es gut, wenn wir Eltern engeren Kontakt zur Klassenlehrerin hätten? Sollte sich Vater nicht im Elternverein engagieren? Was ist, wenn wir mit dem Buch nicht einverstanden sind, das im Unterricht gerade gelesen wird? etc.

Also dabei sein oder nicht?

Die Frage, ob man sich als Eltern bei der Bildung seiner Kinder engagieren sollte, ist schneller beantwortet als sie gestellt ist: unbedingt! Denn es gibt kaum eine Studie, die den positiven Einfluss unterstützender Eltern auf den Lernerfolg der Kinder nicht nachweist. Die Kinder würden mehr erreichen, hätten ein höheres Selbstwertgefühl, seien motivierter, würden durch gutes Benehmen auffallen und würden weniger oft die Schule abbrechen. Außerdem würden die Eltern ihren Kindern mehr Verständnis zukommen lassen, ihre elterlichen Pflichten angemessener erfüllen können, die Lehrer besser verstehen, mit ihnen effektiver zusammen arbeiten und sich in schulpolitischen Fragen engagierter einbringen können. Auch die Lehrkräfte würden davon profitieren: Ihnen wäre größerer Respekt vonseiten der Eltern sicher, sie würden die familiären Hintergründe ihrer Schüler genauer kennen und hätten eine höhere Zufriedenheit in ihrem Job. Zuletzt wäre mit der Unterstützung durch die Erziehungsberechtigten auch den Schulen gedient: Diese hätten ein höheres Ansehen in der Gesellschaft, wären durch Eltern besser unterstützt und könnten dadurch auch ein qualitativ hochwertigeres Programm anbieten (cf. Henderson & Berla (1994), Olsen & Fuller (2010) oder Eccles & Harold (1993)).

Dass die Unterstützung durch das Elternhaus einen positiven Einfluss auf die Schüler, Eltern, Lehrer und Schulen hat, ist also nachgewiesen. Wie diese Unterstützung jedoch aussehen sollte, ist damit noch nicht beantwortet.

Wie kann oder soll man nun unterstützen?

Der Lernerfolg beginnt zu Hause und bedarf gar keiner großen Magie. Eine wichtige Basis dafür ist, dass man in der Familie eine positive Lernatmosphäre schafft. Wenn Sie wollen, dass Ihr Kind liest (zum Beispiel), dann müssen Sie selbst lesen. Wenn Sie von ihm wollen, dass es nicht den ganzen Tag vor dem Bildschirm verbringt, dann sollten Sie auch einmal Ihr Handy zur Seite legen. Wenn Sie wollen, dass es Interesse für Biologie oder Wirtschaft entwickelt, dann sollten Sie sich selbst mehr mit Bienen oder der Eurokrise beschäftigen. Wenn das Lernen in Ihrem Haus eine wichtige Rolle spielt, dann wird Ihr Kind nicht umher kommen, auch auf Entdeckungsreise zu gehen. Den Kindern predigen, wie wichtig das Lernen ist, hilft da gar nichts. Die Kinder lernen nämlich ohnedies nur das, was ihnen ihre Eltern vorleben.

Außerdem sollten Sie herausfordernde Ansprüche an Ihr Kind stellen. Geben Sie sich nicht mit Mittelmäßigkeit zufrieden, denn sonst wird Ihr Kind das gleiche tun. Suchen Sie selbst Herausforderungen und führen Sie zu Hause eine Kultur des Scheiterns ein. Ihr Kind darf – wie Sie übrigens auch – Fehler machen und mal hinfallen. Daraus lernt man ja bekanntlich am meisten – vorausgesetzt man steht wieder auf. Wenn Ihr Kind eine schwierige Aufgabe gelöst hat, loben Sie die Anstrengung und bieten Sie eine noch schwierigere Aufgabe an. Sie werden sehen: Dadurch führen Sie Ihr Kind zu einem „Growth Mindset“. Und diese Gesinnung ist schließlich essentiell für erfolgreiche Menschen (cf. Carol Dweck: Mindset. The New Psychology of Success).

Weiters sollten Sie sich aktiv am Lernprozess Ihres Kindes beteiligen. Reden Sie mit Ihrem Kind über das Lernen. Stellen Sie Fragen wie: Was hast du heute gelernt? Wie hast du gelernt? Warum glaubst du, dass du in Französisch so gut lernst, in Biologie aber nicht viel auf die Reihe bringst? Was war die beste Frage, die du heute im Unterricht gestellt hast? Welche Ziele hast du in Chemie?

Und dann wäre es natürlich nett, wenn Sie sich selbst das ein oder andere Mal zu Ihrem Kind dazusetzen und mitlernen. Vokabel überprüfen. Mathe erklären lassen. Von Ihrem Kind verfasste Aufsätze lesen und gemeinsam analysieren. Einerseits verbringen Sie so automatisch Zeit mit Ihrem Kind und andererseits zeigen Sie ihm, dass Sie Interesse an ihm haben und dass Sie auf seiner Seite stehen.

Mehr geht natürlich immer

Wenn Ihnen das immer noch nicht genug ist, dann könnten Sie natürlich auch im Elternverein und bei Schulveranstaltungen Ihre Hilfe anbieten. Außerdem könnten Sie engeren Kontakt zur Klassenlehrerin halten oder sich schulpolitisch engagieren (der SGA ist immer dankbar für kreative Köpfe). Sie könnten gut vorbereitet zu Elternabenden und Gesprächstagen gehen, mit anderen Eltern einen Stammtisch oder eine Lesegruppe gründen oder einmal im Monat einen Apfelstrudel für die Klasse backen – Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Doch vergessen Sie bei allem Eifer für Ihr (pubertierendes) Kind bitte nicht, dass es keinem wirklich schadet, wenn Sie sich auf dem Schulweg bereits von ihm verabschieden, bevor Sie um die letzte Ecke biegen. Ein bisschen Peinlichkeit ist uns Eltern nämlich immer in die Wiege gelegt, egal wie toll wir eigentlich in Wirklichkeit sind.

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