Die schauspielerischen Fähigkeiten von Tom Hiddleston, Hugh Laurie und Olivia Colman können nicht darüber hinwegtäuschen: die Spionage-Serie nach John le Carré ist nicht clever genug.
Die Voraussetzungen für „The Night Manager“ sind hervorragend: Die Vorlage stammt von Spionagethriller-Großmeister John le Carré, die Regie führt Dänin Susanne Bier (die dafür einen Emmy bekam), zum hochkarätigen Cast gehören Tom Hiddleston, Hugh Laurie und Olivia Colman – durchaus Schwergewichte unter den britischen Schauspielern. Tatsächlich ist die achtteilige BBC-Koproduktion eine spannende Produktion.
Hauptfigur ist der Nachtportier Jonathan Pine (Hiddleston), dessen Bekanntschaft und Kurzzeit-Geliebte Sophie ermordet wird – auf Geheiß des britischen Waffenhändlers Richard Roper (Laurie), der sich als Philantrop tarnt. Mithilfe von Angela Burr (Colman), der Leiterin einer Konkurrenzabteilung zum britischen Geheimdienst MI6, schleicht sich Pine undercover in Ropers Kreise ein. Zu dessen innersten Zirkel gehört Ropers Geliebte, die schöne junge Amerikanerin Jed (Elizabeth Debicki). Pine steigt bald zur rechten Hand des Waffenhändlers auf, gefährdet seine Position aber, weil er sich mit Jed einlässt.
Das alles ist durchaus reizvoll, vor allem, weil die Schauspieler ihre Sache richtig gut machen. Von Hiddleston bin ich seit seiner genüsslichen Darstellung des Loki in „Thor“ ein Fan. Als Pine ist er stets glatt und höflich, beherrscht und unberechenbar. Man hat den Eindruck, dass dieser Mann immer die Kontrolle behält. Manche Kritiker meinen sogar, „The Night Manager“ sei ein langes Bewerbungsvideo für James Bond. Angeblich will Daniel Craig ja die Rolle des Geheimagenten abgeben – und der 35-jährige Hiddleston soll zum Favoritenkreis für dessen Nachfolge gehören.
Hiddlestons Widerpart Laurie legt den Waffenhändler Roper kühler an als seinen „Dr House“, mit dem er bekannt wurde. Ich mochte Tom Hollander als stets betrunkener, schwuler und höchst misstrauischer Vertrauter Ropers, Lance Corkoran. Der war in vielen Szenen bedrohlicher als Laurie als Roper.
Vor allem aber beeindruckten mich die Frauen: die recht groß gewachsene Elizabeth Debicki (schon in „Great Gatsby“ ein Gewinn) ist als Geliebte Ropers meist unterbeschäftigt, trotzdem mehr als nur hübscher Aufputz. Ihre Rolle ist zwischen Edel-Hure und Herrschergattin angelegt, und zumindest in der zweiten Hälfte der Serie ist die Ambivalenz zwischen Macht und Machtlosigkeit auch spürbar.
Olivia Colman schafft es als hochschwangere Agentin, den Zuseher zumindest ansatzweise für den sonst eher drögen Handlungsstrang „Britische Geheimdienste arbeiten gegeneinander“ zu interessieren. (Eine Verschwörung bis in die höchsten Kreise der britischen Geheimdienste bleibt nicht nur seltsam konsequenzenlos, sondern es fehlt auch ein glaubwürdiges Motiv).
Stilsichere, kinotaugliche Bilder
Die Schauplätze – eine luxuriöse, fantastisch gelegene Villa in Spanien, schicke Hotels in der Schweiz und in Ägypten sowie die türkische Wüste – tragen zu den stilsicheren, gar kinotauglichen Bildern von Bier und ihrem Kameramann Michael Snyman bei.
Insgesamt ergibt das schon einen ansprechenden Zeitvertreib. Leider tauchen ab Folge zwei verstärkt dramaturgische – und vor allem logische (mehr dazu siehe unten nach der Spoilerwarnung) – Schwächen auf. Diese untergraben die Glaubwürdigkeit.
Ich bin der Meinung, dass in der Serie die Zeit zu langsam vergeht. Die Haupthandlung (nach dem Vorgeplänkel zu Beginn der ersten Folge) findet innerhalb von wenigen Wochen statt. So schnell geht das doch nicht bei Undercover-Agenten! Das wissen wir spätestens seit „The Departed“.
Rückblende in Folge sechs auf Folge eins
Die Serie unterschätzt meiner Meinung nach auch die Cleverness der Zuseher: Ich brauche in Folge sechs keine Rückblende auf Folge eins – ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, was passiert ist. Und ich merke, wenn man Handlungen zusammenschustert, nur um mehr Spannung zu erzeugen. Darum finde ich, dass „The Night Manager“ nicht das Meisterwerk ist, als das es in britischen Medien angepriesen wurde. Eine kurzweilige Hochglanz-Serie, gut besetzt, aber kein Genre-Glanzstück, wie der exzellente Spionage-Film „Tinker Tailor Soldier Spy“, ebenfalls nach einer Vorlage von Le Carré.
Der ORF zeigte „The Night Manager“ Ende August, Anfang September als Dreiteiler. Abrufbar ist die Serie u.a. über Amazon Prime.
ACHTUNG, jetzt kommen die Spoiler!
Offene Fragen zu „The Night Manager“:
- Wieso will Roper, dass sich der Fremde Jonathan mit seinem Sohn, seinem (offenbar) einzigen Kind, anfreundet?
- Wieso vertraut Roper Jonathan nach wenigen Tagen mehr als seinem langjährigen, hündisch treuen Gefolgsmann Lance Corkoran?
- Wieso ermordet Jonathan Pine Freddie Hamid? Und wieso macht er das so amateurhaft? Er könnte ihn einfach im Pool ertränken, also warum erdrosselt er ihn an Land?
- Wieso gibt es keine Szene, in der sich Roper erklärt? Seine Motivation bleibt im Dunkeln: geht es ihm bloß um Geld? Um Macht? Ist er ein Rassist (wie angedeutet)?
- Was sollte dieser „Wutschrei“ von Roper am Ende?
- Und was soll diese Verschwörung in London? Was hat das MI6 von Roper? Geht es echt nur um Geld?