Ein abgekartetes Spiel oder eine Tragödie?

Die letzte Sitzung des Untersuchungsausschusses vor der Sommerpause machte wieder einmal deutlich, wie wichtig TV-Übertragungen von U-Ausschüssen wären - wie in Deutschland, wie in Großbritannien, wie in den USA etwa. Damit die Öffentlichkeit erfährt, was sich dort wirklich zutragen kann.

Es kommt bei Journalisten ja nicht oft vor, dass sie sprachlos sind oder sich am nächsten Tag fragen, was sie da eigentlich beobachtet haben. Die Sitzung des Untersuchungsausschusses am Mittwoch zum Thema Glückspielnovelle aber war ein solches Ereignis. Vor den Augen aller - auch der Medienvertreter - lief da entweder ein abgekartetes Spiel ab oder eine menschliche Tragödie. Allein, in den Berichten fand sich kein Hinweis darauf.


Über zwei Stunden wurde Lotterie-Chef Friedrich Stickler zu den Vorgängen um eine ursprünglich geplante Novelle zum Glückspielgesetz 2006 und die Überweisung von 300.000 Euro Honorar an die BZÖ-Agentur „Orange" für eine Studie von wenigen Seiten befragt. Stickler gab sich in verschiedenen Varianten immer wieder a) unzuständig, b) ahnungslos („Orange ist auch der Name einer Telefongesellschaft") und c) gehorsam. Leo Wallner habe die Bezahlung an die BZÖ-Agentur urgiert und er habe unterschrieben. Leo Wallners Aussagen später hätten ihn  „irritiert", gesprochen habe er aber nie mit ihm darüber. Er, Stickler, habe die Studie jedenfalls nicht in Auftrag gegeben. Wer wen aufgrund dieser Studie im Betrieb beraten habe, wisse er nicht. Den Betrag habe er nach dem ok Wallners eben einfach zur Überweisung angewiesen. Das Geld sei auch nie zurück verlangt worden.

Bezüglich der dubiosen Zahlung an das BZÖ war klar, dass Stickler in immer anderen Worten die ganze Verantwortung Leo Wallner zuschieben wollte.
Das machte die Sache deshalb spannend, weil Wallner als nächster Zeuge im Untersuchungsausschuss aufgerufen wurde. Wallner werde, so war zu erwarten, erklären, wie es zu der Neun-Seiten-Studie für 300.000 Euro gekommen sei, wer sie in Auftrag gegeben habe, was die angeblichen Beratungsleistungen für diesen Betrag nun gewesen seien. Nur, dazu konnte es nicht kommen. Medien berichteten am Donnerstag von „gesundheitlichen Gründen". Der „Kurier" beschrieb die Situation treffender: Da Wallner „nicht in der Lage war, Fragen zu beantworten, verzichteten die Mandatare auf eine längere Einvernahme".
Schon nach den ersten Fragen wir die Sitzung unterbrochen. Wallner erweckt den Eindruck, als könne er diesen nicht wirklich folgen. Die Mandatare beraten minutenlang (tatsächlich und nicht nur sprichwörtlich) hinter Wallners Rücken. Der langjährige Casino-Chef dreht sich immer wieder fragend um. Nach der Sitzungsunterbrechung , in der man übereingekommen ist, „nur ganz einfache Fragen" zu stellen, wiederholt sich das Drama. Die Befragung wir kurzerhand abgebrochen.
Es war qualvoll, den Auftritt Wallners im U-Ausschuss zu verfolgen. So qualvoll wie die Aussagen Sticklers ärgerlich waren.
Daraus ergeben sich vorläufig etliche - mehr als irritierende - Fragen: Wenn Leo Wallner wirklich nicht in der Lage war, den Mandataren zu folgen, und nur ein „Ich kann mich nicht erinnern" hervorbringen konnte, warum hat niemand die Vorsitzende des U-Ausschusses, Gabriele Moser, a priori darauf aufmerksam gemacht? Warum hat sie die Vorladung nicht einfach gestrichen? Hat Stickler in Kenntnis von Wallners Zustand damit gerechnet, alle Verantwortung gefahrlos von sich weg und dem ehemaligen „Vorstandsvorsitzenden" zuschieben zu können, weil dieser ohnehin nicht kontern könnte? Wie kann es sein, dass Wallner Anfang Mai im Prozess wegen Untreue gegen den ehemaligen Generalsekretär des ÖOC, Heinz Jungwirth, sehr wohl schlüssig aussagen konnte? Auch dieser hatte Wallner die Verantwortung für Schwarzgeldkonten zugeschoben. Wollen jetzt alle, in diverse Fälle Verstrickten, die Wehrlosigkeit Wallners nützen und sich an ihm „abputzen"? Oder ist es wirklich denkbar, dass Wallner seine Verwirrung nur vorgibt, wie manche Beobachter behaupten, und alles nur der Versuch ist, diversen Strafverfahren zu entgehen?
So lange diese Fragen nicht beantwortet werden können, muss die Mittwoch-Sitzung des U-Ausschusses als Tragödie gesehen werden, die im strengsten Sinn eigentlich menschenverachtend war.

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