Kärnten braucht einen zweiten Birnbacher

Während Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler wegen der Vergabepraxis im Straßenbau immer mehr unter Druck gerät, liegt Reality Check eine Dokumentation über Auffälligkeiten bei der Umfahrung von St. Leonhard im Lavanttal vor. Wichtig wäre, dass ein Beamter oder ein Bauunternehmer jetzt die Zivilcourage aufbringt, die Wahrheit zu sagen. So oder so.

Bei einer Abendveranstaltung in Dornbirn zum „Ende des Gehorsams" am Mittwoch war wieder einmal viel die Rede von Zivilcourage. Mein Hinweis, dass diese ja in Österreich nicht wie anderswo Freiheit oder gar Leben koste, sondern höchstens einen Karriereknick oder den nächsten Auftrag, wurde auch dort mit gebührender Skepsis aufgenommen.
Dennoch: Gerade im Zusammenhang mit den aktuellen Vorwürfen gegen Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler als Straßenbau-Landesrat würde man sich wünschen, dass es in Kärnten mehr davon gebe. Allerdings wäre eine einzelne Person auch genug: Jemand, der zum Schluß kommt: Da mache ich jetzt nicht mehr mit! Und mit seinem Namen für die Offenlegung verschiedener Vorfälle einsteht.
Für Dörfler, dem vorgeworfen wird, für Aufträge Sponsoring verlangt zu haben, gilt auch nach dem jüngsten Bericht der "Kleinen Zeitung"die Unschuldsvermutung.
Und wie der Zufall so spielt, informierte mich Ing. Walter Weishaupt in den letzten Tagen über „Ungereimtheiten und Auffälligkeiten bei der Planung, Finanzierung und Ausführung der Umfahrung Bad St. Leonhard im Lavantal" - inklusive einer genauen Dokumentation.
Hier die Lavantaler-Saga kurz zusammengefasst. Sie hat auch schon zu einer ersten Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft geführt, wurde dann aber  „aus Mangel an substanziellen Beweisen" zurückgelegt.
Ab 2003 lief ein Projekt zur Umfahrung des Ortes, angeregt vom Bürgermeister. Es hätte einen Teil der Umfahrungsstraße unterirdisch geführt, um den Ortskern zu schonen. Ursprünglich wurden die Kosten mit 40 Millionen Euro angegeben. „Bis zu einem gewissen Punkt ist alles gut gelaufen. Die Bodenproben waren alle ok, sämtliche Grundstücksablösen inklusive eines Gebäudes organisiert", erzählt Werner Weishaupt, der als Bewohner in St. Leonhard, aber mit Lebensmittelpunkt in Deutschland, im Ruhestand diese Arbeit ehrenamtlich übernommen hat.

Ab 2005 habe Dörfler dann eine Umplanung angeordnet: Keine Unterflurführung, Lärmschutzwände, drei neue Brücken, Ablöse von 16 Gebäuden, Kostenpunkt 70 Millionen Euro. Zu diesem Zeitpunkt waren 20 Millionen Euro in alle Vorarbeiten bereits „verbuttert".
Für die bei der Umplanung erforderlichen Brückenbauten und Lärmschutzwänden waren andere Firmen vorgesehen als für das ursprüngliche Projekt. Der Kärntner Rechnungshof und der Rechnungshof in Wien übten Kritik. Ohne Konsequenz.
Gegen die neue Trassenführung wurde eine Petition von 350 Einwohnern und 17 der Gemeinderäte organisiert und vom Landtag einstimmig angenommen. Dörfler, zum Schicksal der Petition in der Landesregierung befragt, soll sie mit den Worten „Die habe ich entsorgt" für erledigt erklärt haben.
Weishaupt bereitet eine neue Anklage bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft vor.
Die ÖVP zeigte laut Weishaupt für das Thema gar kein Interesse, die SPÖ reagierte „mutlos", nur die Grünen waren ursprünglich bereit, sich damit zu beschäftigen.
Weishaupt erzählt auch von einem Gespräch mit dem Bürgermeister von St. Leonhard, der ihm bedeutet habe: Dörfler habe von ihm verlangt, dass er, Weishaupt, sich komplett zurückziehen soll, sonst würde das Land für die Gemeinde „gar nichts mehr machen".
Licht ins nunmehr diskutierte Vergabedunkel in Kärnten könnte ein zweiter Dietrich Birnbacher bringen. Also nicht jemand, der sich von einem Geständnis Strafmilderung erwartet, sondern ein Beamter oder ein Unternehmer, der - falls die Vorwürfe stimmen - über diverse Praktiken bei Auftragsvergaben aus eigener Erfahrung Auskunft gibt. Das hätte Vorbildwirkung, würde allerdings jene Zivilcourage erfordern, von der in Dornbirn so viel die Rede war. Die Veranstaltung war übrigens von der „parteiunabhängigen Initiative für eine Stärkung der direkten Demokratie - Mehr Demokratie" organisiert (www.mehr-demokratie.at)

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