Glückliches Österreich: Geht's noch trivialer?

Eine aufschlussreiche Beobachtung: Was interessiert die Österreicher und ihre Medien wirklich, während das Leben von Millionen Amerikaner an der Ostküste brutal von einem Hurrikan unterbrochen wurde und sie nicht wissen, wann sie es zurück bekommen? Sido, Heinzl, Wir sind Kaiser, Stronach. Was für ein Glück!

Eine Vortragsreise an der Ostküste der USA zum Thema Menschenhandel und moderne Sklaverei geht zu Ende. Jede Minute der letzten Woche "gehörte" dem Hurrikan Sandy. Wo, wann und wie Schutz finden bevor er das Festland erreicht? Das ist in Philadelphia gelungen. Wie Freunde in New York erreichen, um herauszufinden wie es ihnen geht? Das ist nicht gelungen. Denn im Unterschied zu den Katastrophentagen in der Stadt nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 ist die Kommunikation im Süden von Manhattan, auf Staten Island, in Queens und in New Jersey total zusammengebrochen. Festnetztelefone funktionierten wegen des Stromausfalls für Millionen Menschen nicht. Mobiltelefone waren tot: Entweder hat Sandy die Masten geknackt oder die Batterien konnten wegen der flächendeckenden Stromausfälle nicht aufgeladen werden. Manche hatten das Glück, in der Nähe eines Hauses zu leben, in dem die Bewohner noch Strom hatten und ihre Kabel zum Aufladen für andere einfach aus den Fenstern auf die Straße hängen ließen. Andere wiederum versuchten auf kreative Weise (https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151305256870329&set), die fast unmöglich scheint.

In den Terrortagen 2001 war die Kommunikation in New York City höchstens für wenige Stunden wegen Überlastung unterbrochen, nicht für Tage. In Zeiten großer Ungewissheit wie zuletzt bekommen auch alle TV-Nachrichten, die man Minute für Minute konsumiert, eine ganz andere Furcht erregende Dimension. Da wird von einem Mann berichtet, der in New Jersey einer Hilfe suchenden Frau mit zwei Kindern den Zutritt zu seinem Haus verwehrt. Als sie auf die Straße zurück ging wurden ihr beide Kinder von den Wassermassen entrissen. Man fand sie später tot auf. Hat die Frau die Gefahr falsch eingeschätzt? Warum war sie überhaupt mit den Kindern auf den überfluteten Straßen unterwegs?

Zwei Krankenhäuser in der Millionenstadt New York mussten wegen Stromausfall evakuiert werden, jenes der New York University noch in der Nacht von Montag auf Dienstag, das Bellevue Hospital noch Tage danach. Welche menschlichen Tragödien spielten sich da für die Patienten und ihre Familien ab?

Der Großteil von Manhattan hat wieder Strom. Also zurück zur Normalität? Nicht einmal für mich. Das Mietauto für die Vortragstour muss in New Jersey retourniert werden. Wie kann man dort wieder wegkommen. Die Taxiunternehmen haben den Betrieb eingestellt. Benzinrationierungen. Benzinversorgung durch die Miliz. Und private Transportunternehmen sind nicht das wichtigste. Wie aber weiter kommen? Noch ist der Zugsverkehr nicht wieder aufgenommen.

Das sind aber alles nur persönliche Unannehmlichkeiten im Vergleich zu dem, was Sandy für Millionen Amerikaner auch in anderen Staaten, nicht nur New York, angerichtet hat. Dennoch: Gefangen in dem, was sich hier abgespielt hat, habe ich Nachrichten aus Österreich in der letzten Woche mit wachsender Ungläubigkeit verfolgt. In der Banalität kann auch Glück liegen. Was für ein glückliches Österreich: Sido und Dominic Heinzl, nur Sido, eine ORF-Sendung mit oder ohne und was das über ORF-Programmdirektorin Katrin Zechner aussagt. Über Stermann & Grissemann habe ich noch nie gelacht wie andere, ich finde sie einfach nicht lustig, sondern tief und jetzt schlägt ihre Geschmacklosigkeit wegen des Fußballers Alba auch noch hohe mediale Wellen. Und erst die Mariahilfer Straße als Fußgängerzone!

Dagegen ist ja der Status für Frank Stronachs neueste Erwerbung, den Parlamentsklub, von geradezu existenzieller Bedeutung für Österreich. Aber was ist dagegen die Polit-Affäre, so die Medien, um Werner Amons (ÖVP) Auftritt bei "Wir sind Kaiser"? In der Banalität liegt nicht nur Glück, sondern auch unfreiwillige Komik. Wenn Amon vor lauter Mediensehnsucht nicht begriffen hat, dass er dort "vorgeführt" werden soll, was begreift er dann als Abgeordneter, Bildungssprecher, Fraktionsführer im Korruptionsausschuss? Glückliches Österreich, das solche Mandatare hat, nicht wahr?

Natürlich nimmt Interesse und Betroffenheit mit der Distanz zum Ort eines Ereignisses ab, aber muss man es mit der Trivialität dessen, was die Österreicher interessieren muss, derart übertreiben?

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