Bildungspolitik im Schrebergarten: Medizin studieren in Pinkafeld

In der Hochschulpolitik ist Gefahr im Verzug. Für eine Qualitätsverbesserung der bestehenden Unis fehlt das Geld, aber in den Bundesländern träumen die "Herrscher" von Neugründungen. Damit gefährdet man die Zukunft der Jungen.

Wissenschaftsminister Töchterle ist ein vornehmer Mann. Statt alle Befürworter einer Medizinischen Universität in Linz zu fragen, ob sie noch bei Sinnen seien, in Zeiten wie diesen eine zusätzliche Universität zu verlangen, lässt er eine Arbeitsgruppe einrichten. Vergangene Woche gab es zwei separate Sitzungen zu diesem Thema, am 5. April soll sich nach Auskunft des Ministeriums nun eine Arbeitsgruppe in „großer Runde" mit Vertretern von Oberösterreich, des Ministeriums, der Universitäts-Konferenz, des Wissenschaftsrats, der Österreichischen Hochschülerschaft treffen, in die sich auch Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hineinreklamiert haben soll.
Jeder Landeshauptstadt also eine Med Uni? Wann werden Bregenz und Eisenstadt eine verlangen? In seinem Brief ins Jenseits an Jörg Haider hat ja auch Kärntens Vize-Landeshauptmann Kurt Scheuch (siehe Blog vom 31.1.) für Klagenfurt eine reklamiert: „Die Qualität unserer Fachhochschulen wurde gesteigert. Unsere Universität und die übrigen Kaderschmieden blühen. Vielleicht gelingt es, auch eine medizinische Universität in Kärnten zu etablieren." Da war ihm Niederösterreichs Erwin Pröll mit St. Pölten aber schon zuvorgekommen. Und letzte Woche hatte auch Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, ganz so als hätte sie keine anderen Sorgen, wissen lassen: Linz nein, die Paracelsus Privatuni müssen übernommen werden. Für Linz dürfe der Bund kein Geld ausgeben, für Salzburg schon.
Das nennt man Föderalismus oder eher (Bildungs)Politik im Schrebergarten: Dabei zeichnet sich ein Trend ab, der schon der Qualität der Fachhochschulen nicht gut getan hat: Jedem Ort ein Studiengang, weil sich die lokalen Politikergrößen damit rühmen wollen. Studieren in Pinkafeld also? A pros pos: Der Ort wäre wahrscheinlich für eine burgenländische Med Uni auch geeignet. Er hat jetzt schon den FH-Studiengang Gesundheitsmanagement und Gesundheitsförderung.

Jetzt kommt bei den Universitäten die Idee auf - in Linz wie in Salzburg - einfach nur „Fakultäten" zu errichten. Da findet sich die Idee der einzelnen Studiengänge wieder. Pfiffig, nicht wahr?
Das muss man sich einmal vor Augen führen: Im Hochschulbereich gibt es jetzt schon nicht genug Geld, um an etlichen der bestehenden 21 Universitäten Studien von hoher Qualität zu garantieren. Manche Zustände dort sind ein Vergehen an der Jugend. Manche Studien werden aus Geldmangel aufgelassen, obwohl es genügend Anwärter gibt. Die Technik Wien spart das Lehramtsstudium ein. Und das sind nur zwei Beispiele. Also sollen begrenzte Ressourcen auf noch mehr Institutionen - und zwar die teuersten von allen, eben Med Unis, verteilt werden, auf dass die Qualität überall leidet und das Niveau weiter sinkt?
Das Argument, mit dem Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer die Linzer Med Uni seit Jahren forciert, hat nur einen Fehler: Es trifft den Kern des Problems nicht. Er meint, Oberösterreich brauche mehr Ärzte und von den oberösterreichischen Medizinstudenten fänden nicht alle den Weg in die Heimat zurück. Das Problem, so sagen alle Experten, ist aber nicht die Ausbildung von genügend Ärzten, sondern deren Bezahlung in den Spitälern in den ländlichen Gebieten. Die Bezahlung ist aber Sache der Länder und der Gebietskrankenkassen. Wenn ein Jungarzt in Ausbildung zum Facharzt ohne Nachtdienste keine 2.000 netto im Monat verdient und davon noch etliche Hundert Euro an die Ärztekammer abzuliefern hat, dann weiß man, wo das wirkliche Problem liegt - nicht an den Med Unis jedenfalls. Wenn ein Land von sich aus genügend finanziellen Anreiz schafft, auch die ländlichen Gebiete für Ärzte attraktiv zu machen, müssten Pühringer & Co nicht jammern. Diese Seite des Problems der Ärzteversorgung wird wohlweislich verschwiegen, weil es die Länder selbst trifft.
Es dürfte bei der Sehnsucht nach einer neuen Med Universität in Linz wirklich um ganz andere Dinge als die Qualität der Ärzteausbildung gehen. Und damit ist nicht einmal die Feder gemeint, die sich die Politik gerne auf den Hut steckt. Welches Interesse haben zum Beispiel Banken an einer Med Uni in Linz - außer ein paar zusätzliche Studentenkonten vielleicht? Im „Verein zur Förderung der Med Uni Linz" finden sich unter den Gründungsmitgliedern: Die Hypo Oberösterreich, Raiffeisen Oberösterreich, die Oberbank, die Sparkasse, die Energie Linz AG! Nun gut, der Oberösterreichische Versicherung kann man vielleicht ein geschäftliches Interesse an der Gesundheit nicht absprechen.
Wenn sich Bundeskanzler Werner Faymann, Unterrichtsministerin Claudia Schmied, die Finanzministerin aus Oberösterreich, Maria Fekter für Linz aussprechen und der Gesundheitsminister aus Oberösterreich, Alois Stöger, sogar von „neuen Perspektiven" spricht, zeigt das nur, wie stark das Provinzielle in der Politik verankert ist. Statt die knappen Ressourcen dort zu bündeln, wo es um eine Verbesserung der Qualität geht, dünnt man sie im Namen des Föderalismus alias Förderalismus nur noch weiter aus.
Eigentlich müsste es beim Auftauchen jeder provinziellen Begehrlichkeit bei den gegenwärtigen Zuständen an den Unis einen Aufschrei der Professoren geben. Leider haben sich diese immer nur in Einzelfällen und auch das schon viele Jahre nicht mehr durch mutiges Auftreten der Politik gegenüber ausgezeichnet. Das eigene Institut und seine Ausstattung ist immer näher als der nächste Hörsaal in einer anderen Landeshauptstadt. Gesamtverantwortung ist generell ein Fremdwort.
Töchterle hat bis jetzt wissen lassen, es werde aus den vorhandenen und bis 2015 bereits fixierten Geldern für die Universitäten keine Mittel für die Linzer Hochschulträume geben. Nur, wird Töchterle nach der Nationalratswahl im Oktober noch Wissenschaftsminister sein?
Dabei gäbe es eine ganz einfache Lösung: Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und Kärnten können ja die so geliebten neuen Med Unis selbst und ohne Bundesmittel finanzieren. Wie wäre es mit der Einführung von regionalen Gesundheitsabgaben - zweckgebunden natürlich für die neuen Institutionen, denn wirklich gutes Personal wird auch teuer. Dann könnte die Landesherrscher nicht nur darauf stolz sein, sie müssten die zusätzliche Abgabe auch verantworten.

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