Es gibt viele Erklärungen für den Flop des Volksbegehrens "Demokratie jetzt", aber nur einen Verantwortlichen: Den einzelnen Staatsbürger. Wie wäre es mit Selbsterkenntnis?
Gut, wir nehmen zur Kenntnis, dass sich 49 Prozent der wahlberechtigten Österreicher im Jänner bereitwillig zu einer Volksbefragung über die Wehrpflicht in die Stimmlokale und hinters Licht führen ließen, aber kaum mehr als ein Prozent mit ihrer Unterschrift „mehr Demokratie" begehren. Die Volksbefragung war von allen außer den in der Verteidigungspolitik hilflosen Regierungsparteien als Farce bezeichnet worden. Für mehr Demokratie hat sich sogar der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, ausgesprochen.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Schuldigen sofort ausgemacht wurden:
Weil selbst das Bildungsvolksbegehren mit mehr als 380.000 Unterschriften vom Parlament sang- und klanglos beiseite in die Schublade geschoben wurde, hätten Volksbegehren wohl überhaupt keinen Sinn. Also wozu sich die Mühe machen? Damit wird genau jenen Politikern die Rechtfertigung geliefert, die Initiativen aus der Bevölkerung heraus „net amal ignorieren" wollen.
Weil die Proponenten von „Demokratie jetzt" mehrheitlich Alt-Politiker waren, die ja in ihrer aktiven Zeit etwas gegen das Demokratiedefizit unternehmen hätten können. Wie wäre es mit der Einsicht, Fehler gemacht zu haben? Doch nicht bei uns. Das kommt nicht vor und wird daher auch niemandem zugestanden.
Weil das Thema Demokratie und Verfassungsreform zu komplex ist. Wie wäre es mit Information als Holschuld des Bürgers? Zu mühsam bei uns.
Weil keine politische Partei und keine Institution das Volksbegehren getragen hat. Wie wäre es mit der Einsicht, das dieses Instrument eigentlich für Bewegungen aus dem Volk geschaffen wurde und nicht für Mobilisierungszwecke der Parteien? Nicht in einem Staat, in dem sich politische Parteien für das Volk halten.
Weil die Medien nicht genügend darüber berichtet haben. Medien richten sich nach Quoten, Klicks und Reaktionen der Konsumenten. Wenn sie an einem Thema brüllendes Desinteresse orten, schrauben sie die Berichterstattung zurück. Und umgekehrt. Verlangen die Konsumenten nach mehr Information bekommen sie diese auch.
Wie wäre es, nicht immer den anderen die Schuld zu geben? Wie wäre es, als Staatsbürger die Verantwortung für diesen Flop zu übernehmen? Gar nicht gut. Denn dann könnte man sich nicht mehr nur über die Politiker aufregen, über sie schimpfen, sie mit Verachtung strafen. Dann müsste man selbstkritisch das eigene Tun - oder wie bei uns eher Nicht-Tun - hinterfragen.
Das bloße Sich-Aufregen ohne Konsequenzen ist offenbar für die meisten Staatsbürger ein höherer Wert an sich als alle anderen Werte. Und den will man sich keinesfalls nehmen lassen.
Also dürfen alle getrost auf das nächste Volksbegehren einer Partei warten, über das sie sich dann aufregen können - entweder vorher oder nachher, wenn es wieder sang- und klanglos verschwindet. Oder darauf, was Regierungsparteien bereit sind, dem Volk gnadenhalber etwas „mehr an Demokratie" zu geben. Viel Vergnügen dabei!