Her mit der 6. Urlaubswoche Weg mit den Spitzenkräften

Als ÖAAB-Chefin kümmert sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner herzlich wenig um die ÖVP-Parole von der "Entfesselung der Wirtschaft", die sicher nicht mit mehr Urlaub zu erreichen ist. Aber was soll's: In Niederösterreich sind in vier Wochen Abeiterkammerwahlen.

Es ist immer wieder faszinierend, zu beobachten, wie jeder Wahltermin - und sei er nur für einig Funktionäre interessant - zur vordergründigen Wählerfängerei verkommt oder die einfache Logik außer Kraft setzt. In jedem Fall vertrauen die stimmenfangenden Politiker darauf, dass der solcherart umworbene Bürger das Spiel nicht durchschaut.
Bei der SPÖ passierte das zuletzt in Wien, als auf der Klubklausur die „kostenlose Nachhilfe" für Pflichtschüler verkündet wurde. Ab Herbst wohlgemerkt, denn 2015 sind Gemeinderatswahlen. Wie durchsichtig kann man Politik noch betreiben? Und was heißt „kostenlos"? Die Wiener werden dieses „Geschenk" des Rathauses unter Garantie mit weiteren Gebührenerhöhungen selbst bezahlen müssen.
Bei der ÖVP versuchte es dieser Tage „Her-mit-dem-Zaster"-Mickl-Leitner, Innenministerin und Chefin des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB, mit der Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche nach 25 Arbeitsjahren, gleichgültig bei welchem Arbeitgeber. Nun gut, ÖVP-Positionen sind auf Treibsand gebaut. Daran gewöhnt man sich. Da kann es schon passieren, dass Johanna Mikl-Leitner als ÖAAB-Chefin in die Gegend der Positionen der sonst so ungeliebten „Roten" wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer und ÖGB-Präsident Erich Foglar geschwemmt wird. Dem Vernehmen nach deshalb, weil in Niederösterreich die Wahl zur Arbeiterkammer noch bevorsteht - vom 6.Mai bis 19.Mai. Wie durchsichtig kann man Politik noch betreiben? Nochmals sei's gefragt.


Nur dieser Wahltermin gibt dem Vorstoß jetzt einen Sinn. Sonst ist da für ein Regierungsmitglied der ÖVP, einem Gesamtkonzept und dem Parteiobmann verpflichtet, keine Logik drin. Wer nämlich auf den Wirtschaftsaufschwung als Wunderwaffe gegen Schulden und Belastungen hofft; wer die Wirtschaft entfesseln und die Arbeitslosigkeit senken möchte, der müsste für mehr und nicht weniger arbeiten plädieren. Zupacken statt ausrasten, müsste die Devise sein. Wer die Wirtschaft entfesseln will, muss den „brain drain" stoppen, denn keine einzige Spitzenkraft wird deshalb nach Österreich kommen, weil sie nach 25 Jahren eine sechste Urlaubswoche beanspruchen könnte. So funktioniert das nicht. Mit den Retro-Rezepten der siebziger und achtziger Jahre wird Österreich für gut ausgebildete Arbeitskräfte heute nicht attraktiv.
Irgendjemand sollte Johanna Mikl-Leitner den Artikel in der „Neuen Züricher Zeitung" vom 1. April in die tägliche Presse-Mappe legen: „Auf längere Sicht wrd der ungebremste Braindrain für Österreich zu einem grösseren Problem als die Folgekosten der Hypo Alpe Adria. . ." Und sollte sie der NZZ nicht vertauen, dann vielleicht der Statistik Austria, die in dem Artikel zitiert wird: „Beruhte das Ausmass des Braindrain bisher auf Schätzungen, so bringt Statistik Austria mit der Verknüpfung von Bildungs-Register und Wanderungsstatistik Licht ins Dunkel. Demnach sind in der letzten Dekade im Schnitt 20 000 bis 25 000 Österreicher p. a. weggezogen - Zielländer sind vorrangig Deutschland, die Schweiz, Nordamerika und Grossbritannien. Dem stehen p. a. 15 000 Rückkehrer gegenüber. Der Grossteil der Abwanderer ist 25 bis 35 Jahre alt und verfügt über hohe Qualifikationen; eine zweite Gruppe sind Facharbeiter im Alter zwischen 40 und 45 Jahren. Fachlich gesehen zieht es vor allem dringend benötigte Absolventen naturwissenschaftlicher Studien ins Ausland."
Sollte Mikl-Leitner nach der AK-Wahl in Niederösterreich wieder über den Landeszaun schauen, wird sie vielleicht bemerken, dass für keine der angesprochenen Gruppen - Hochqualifizierte, Facharbeiter und Naturwissenschaftler - mehr Urlaub ein Entscheidungskriterium ist.Vielleicht!

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