Not-Being Michael Spindelegger oder: Die Witzchen des Django

Nach einer kurzweiligen aber beiläufigen Rede von einer Stunde wurde Reinhold Mitterlehner mit 99.1 Prozent am 36.Bundesparteitag der ÖVP zum neuen Obmann gewählt. Die Delegierten hatten endlich wieder was zu lachen.

Sie waren alle wieder da, die bekannten Sätze. Wie ein Echo von den ÖVP-Parteitagen zuvor : „Wer, wenn nicht wir...“ „Packen wir es an....“ „Unsere Vielfalt macht uns stark, unsere Einheit noch stärker“, „Jetzt gemma’s an...“ „Packen wir es gemeinsam an...“ „Wir wollen das Land führen...“  „Wir sitzen in einem Boot...“ „Wir wollen Erster werden..“ „Wir stellen den Kanzleranspruch...“ „Im Mittelpunkt ist der Bürger...“Ohne diese Phrasen scheint kein ÖVP-Parteitag auszukommen.

Und doch war der 36. Bundesparteitag im Veranstaltungszentrum METAStadt in Wien Donaustadt anders. Das begann schon mit der unglaublich abgesandelten Umgebung dieser neuen Eventlocation, die zwar innen alle Stücke spielt, außen aber eher als Ort des Abbruchs denn als Ort des Aufbruchs daher kommt.

Wie auch immer, anders auch im Ablauf: Keine Anträge, keine Diskussionen, nur die Wahl Reinhold Mitterlehners  zum neuen ÖVP-Obmann mit totalitären 99,1 Prozent der Deligiertenstimmen. So viel Einigkeit kann es in der ÖVP gar nicht geben. Die 99,1 Prozent könnten mehr eine gefährliche Drohung für Mitterlehner als Ausdruck wirklicher Unterstützung sein. Wenn man sie so interpretiert: „Wir waren alle für Dich, jetzt mach was draus“.

Aber fangen wir mit dem Positiven anderen an:

Das Video vor der Rede Mitterlehners war das Kreativste, das man je auf einem ÖVP-Parteitag gesehen hat. Nicht die Person, wie sonst üblich, mit Kindern, lokalen, regionalen, nationalen, internationalen Honoratioren, sondern nur Schuhe – für den Familienmensch, für den Wirtschaftspolitiker und dann Bergschuhe für den ÖVP-Obmann.

Positiv neu war auch, dass Mitterlehner meist frei sprach. Das war sicher die lockerste und kurzweiligste Rede eines Obmanns vor seiner Wahl. Nur irgendwie verstörend, dass sie über weite Strecken hin äußerst beiläufig wirkte. Ein bisschen geplaudert halt, ein bisschen anekdotisch, bisschen wie am Wirtshaustisch halt.

Die Delegierten nahmen es dankbar auf. Jetzt haben sie  einen witzchengetriebenen Obmann. Wer ist der Herbert Kickl (Sprüche-Erfinder der FPÖ) der ÖVP? Wer immer, für Mitterlehner fielen ihm Sätze zu anderen Parteien ein wie „Die Dritten rauchen sich gerade ein“ „Mit allem was der FPÖ fremd ist, wollen die nichts zu tun haben, und da gehört die Wirtschaft dazu“, „Das Team Stronach ist im ökonomischen Gleichgewicht: Kein Angebot, keine Nachfrage“.  Den Delegierten gefiel es. Sie lachten herzhaft und an den richtigen Stellen. Sie lachten sicher auch aus Erleichterung. Not-Being Spindelegger macht gewiß einen Teil des Charms Mitterlehners für sie aus.

Und er gab sich auch sehr charmant: Ein Witz da, eine direkte Frage an das Publikum dort, ein paar Kosenamen für Hanni und Lopi, Innenministerin Mikl-Leitner und Klubobmann Reinhold Lopatka also; hie und da verwirrend von da (Brüssel) nach dort (China), immer locker zur Sache zurückfindend. Aber die „Sache“ war eben fast eine Stunde lang nicht sehr ernsthaft. Die beste Passage war wahrscheinlich die für die eigene Partei: Aus Betroffenen (der Politik) Beteiligte machen, die Jugend besser einbinden, den Parteivorstand auflockern. Vertrauen herstellen, sich selbst was zutrauen und sich dann trauen, etwas zu machen.

Einmal wagte sich Mitterlehner auf gefährliches Terrain, aber es merkte ohnehin niemand. Den Delegierten gefiel auch das: In fast 50 Jahren, so sagte er, habe die ÖVP nur zwei Mal den Bundeskanzler gestellt, das sei zu wenig. Soll das heißen, dass die Österreicher fast 40 Jahre lang zu bescheuert sind, den wahren Wert der ÖVP zu erkennen?

Was die Abschiedsrede von Michael Spindelegger betrifft, so kann man der Meinung des Kollegen in der „Presse“, Oliver Pink, sein, dass sie die „knackigere“ Rede war, muss aber nicht. Außer Danksagungen und einem Schlussappell hatte sie keinen Inhalt – und der Redner wirkte übertrainiert wie im Wahlkampf 2013.

Aber das Glück des Reinhold Mitterlehner heißt eben Spindelegger. Es zeigt sich in den 99,1 Prozent. Nur, wie lange wird die Erleichterung anhalten? Wird sie verflogen sein noch bevor die Django-Musik den ÖVP-Funktionären auf die Nerven geht? Oder sich die Cowboy-Stiefel, die man Mitterlehner zum Schluss überreicht hat, für das Minenfeld in der Partei als ungeeignet erweisen?

Aber mit den 99,1 Prozent hatte die ÖVP am Samstag wieder ihren Popeye-Moment. Ob sie wirklich selbst an ihre „ungeahnten Kräfte“ glaubt?

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