Irgendetwas stimmt hier nicht!

Zwei Interviews am Sonntag mit der Frau des in Saudi Arabien verurteilten Bloggers Raif Badawi, zwei einander widersprechende Aussagen. "Österreich" und der "Kurier" schulden ihren Lesern eine Erklärung.

Der Tod des saudischen Königs Abdullah letzte Woche, die fortgesetzte Aufregung um das gleichnamige angebliche Dialogzentrum in Wien,  der Terror in Paris, der Konflikt um „Meinungsfreiheit“ und der Einsatz für den saudischen Blogger Raif Badawi: Das alles garantiert mediale Aufmerksamkeit.

Da macht die Schlagzeile „Nächsten Freitag gibt es 50 Hiebe“ schon was her. Man wird doch noch verlangen können, dass dies beim Leser unterschwellig die Erinnerung jene Aussage wachruft, die Ex-Justiministerin Claudia Bandion-Ortner den Job als Vize-Generalsekretärin des König-Abdullah-Zentrums in Wien gekostet hat: „Nicht jeden Freitag wird geköpft.“

Um ja kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Je mehr internationaler Protest gegen die Bestrafung von Raif Badawi, desto besser. Er darf nicht nachlassen. Und von unmenschlicher Bestrafung sollte man auch nicht schreiben, denn die Bestrafung allein ist unmenschlich und menschenverachtend. Es dürfte sie gar nicht geben. Daher ist es gut und richtig, Raif Badawi nachhaltig zum medialen Thema zu machen, ihn nicht zu vergessen, wenn die Terrorangst wieder abflaut und andere „Aufreger“ daher kommen.

Aber irgendetwas konnte an der medialen Aufmerksamkeit für Badawis Ehefrau in Kanada, Ensaf Haidar,  an diesem Wochenende in „Österreich“ und im „Kurier“ nicht stimmen. In „Österreich“ wird Ensaf Haider auf die Frage „Wann hatten Sie zuletzt Kontakt?“ so zitiert: „...Insgesamt konnten wir in den vergangenen Jahren zehnmal miteinander reden.“ Im „Kurier“ so: „Ich darf mit Raif täglich drei Minuten telefonieren. ..“

Zwischen zehn Mal in drei Jahren und täglich drei Minuten liegen Welten – die österreichisch medialen nämlich. Dafür gibt es nur drei mögliche Erklärungen, von denen erste wohl auszuschließen ist:

1.     Ensaf Haidar hat den Journalisten einfach irgendetwas erzählt, einmal so, einmal so. Das ist wohl bei so einem schweren Schicksal – Flucht in den Libanon und nach Kanada, 1000 Peitschenhiebe, zehn Jahre Haft und eine hohe Geldstrafe für den inhaftierten Blogger – nicht anzunehmen.

2.     Die vom „Kurier“ engagierte Arabisch-Dolmetscherin hat entweder die Sprache nicht wirklich verstanden, einen Fehler gemacht oder eigene Worte verwendet. Oder im „Kurier“ wurde entsprechend redigiert.

3.     „Österreich“ hat mit dem Interview seine ganz eigene Art des kreativen Journalismus angewendet, um es einmal so zu formulieren.

Eines der beiden Interviews kann es so nicht gegeben haben. Das ist für die Glaubwürdigkeit der Medien ganz schlecht. Und noch tragischer ist der Anlass: Hier wird das Schicksal einer Familie instrumentalisiert, die erleben musste, wie in den letzten Tagen die Vertreter der westlichen Welt nach Saudi Arabien eilten, um den nächsten König devot ihre Aufwartung zu machen. Menschenrechte hin oder her, Auspeitschungen hin oder her – ob jeden Freitag oder nur jeden zweiten.

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