Als Sebastian "Smoothie" Kurz seine Junge ÖVP im Stich ließ

Die Kontroverse um den Antrag der Jungen ÖVP für ein neues Wahlrecht brachte für einige Zeit Leben in den Parteitag am Dienstag. Seniorenbund-Chef Andreas Khol hielt ihn für einen "Blödsinn".

Das war politischer Anschauungsunterricht par excellence am Dienstag in der Wiener Hofburg beim 37. Außerordentlichen Parteitag der ÖVP: Wer nirgends wirklich anecken will, gewinnt am Ende gar nichts. Oder: Wer eine Sache nicht mit Herzblut und Engagement vertritt, vergeigt sie am Ende.

So geschehen beim Antrag der Jungen ÖVP für ein etwas schräges Modell eines „minderheitenfreundlichen Mehrheitswahlrechts“.  Eine einzige Stimme fehlte für jene Zweidrittel-Mehrheit, die den Plan,  der stimmenstärksten Partei bei einer Wahl automatisch 50 Prozent der Mandate minus eins im Nationalrat zu überlassen,  im neuen Parteiprogramm festgeschrieben hätte.

Diese eine Stimme hätte Antragsteller, JVP-Chef, Außenminister Sebastian „Smoothie“ Kurz wahrscheinlich „holen“ können, vielleicht auch noch ein paar Stimmen mehr, wäre sein Beitrag nicht so distanziert und halbherzig gewesen. Er hat sich aber gar keine besondere Mühe gemacht und damit "seine" JVP in Stich gelassen, war mit dem Antrag gescheitert und hat auch noch ein paar ältere ÖVP-Deligierte verärgert. Man müsste schon einen unglaublichen Spin drehen, wollte man dahinter eine meisterhafte Taktik vermuten: Dem Parteiestablishment Ärger ersparen, in der ÖVP Ruhe bewahren, gleichzeitig aber die Jungen zufrieden stellen.

Wie man seine Meinung mit Verve und Emotion vertritt hatte ihm Seniorenbundchef Andreas Khol vorgezeigt. Nachdem ein JVP-Mitglied den Funktionären zugerufen hatte, doch Mut zu zeigen und den Wahlrechtsantrag anzunehmen, donnerte Khol von der Bühne: „Ja habt’s nur Mut und nehmt’s den Blödsinn an“.  Die SPÖ bekäme bei diesem JVP-Modell 40 Mandate mehr als jetzt, die ÖVP 20 weniger. „Wollt Ihr das“, rief Khol. Er war beseelt davon,  dieses Wahlrechtsmodell im ÖVP-Programm zu verhindern. Man merkte es ihm an. Er zog alle Register seiner langjährigen Erfahrung – rhetorisch und emotional.

Kurz schien von nichts beseelt. Das fiel auch einigen der Jungen auf, die nach der Abstimmung vor dem Tagungsort am Heldenplatz heftig diskutierten. Sie waren vom knappen Scheitern ihres Antrags durchaus überrascht. Eine Stimme! Die wäre doch noch drin gewesen. Sie trösteten sich mit dem „nächsten Mal“.  Dass dieser „50 Prozent minus ein Mandat“-Vorschlag etwas skurril war, dürften sie selbst wissen.  Man habe jetzt Zeit, auch andere Varianten eines Mehrheitswahlrechts zu überlegen, meinte ein JVP-Mitglied.

So also blieb es beim Anschauungsunterricht: Uninspiriert ist in der Politik nichts zu erreichen, kühle Argumentation kommt gegen Emotion nicht an.

Das hat nun mit Jung gegen Alt nur insofern zu tun als Khol eben um die Wirkung der Rhetorik und der Emotion als politische Kategorie besser Bescheid weiß als Kurz. Oder: Khol muss eben auf niemanden mehr Rücksicht nehmen. . .

Nachtrag: In der ZIB 2 nach dem Parteitag ließ ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner wissen, er habe für den Antrag gestimmt.

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