Ministerrat geschwänzt?

Leider haben die Pressesprecher der beiden ÖVP-Minister Wolfgang Brandstetter (Justiz) und Johanna Mikl-Leitner (Innen) keine Auskunft gegeben: Warum haben die beiden zugestimmt wogegen sie nun auftreten.

Es begibt sich Seltsames in der Koalition: Da gab es einen einstimmigen Beschluss des Ministerrats zum Bankgeheimnis und zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Kontoöffnung ohne richterlichen Beschluss inklusive. Dann gab es eine Wahlkampfrede des steirischen ÖVP-Chefs Hermann Schützenhöfer, in dem dieser eine Woche vor der Landtagswahl die am Ballhausplatz beschlossenen Regelungen ablehnte und mit einem „Nein“ der steirischen Abgeordneten drohte. In deren Reihen steht pikanterweise auch der Klubobmann der ÖVP im Nationalrat, Reinhold Lopatka.

Nachdem Schützenhöfer aus der Deckung gekommen ist, folgten ihm Justizminister Wolfgang Brandstetter und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Dass auch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll plötzlich Zweifel an der geplanten rot-schwarzen Suchaktion nach versteckten Steuereuros im Zuge der Steuerreform äußerte, ist weniger relevant. Pröll, Schützenhöfer und Lopatka sind keine Mitglieder der Bundesregierung. Und Pröll hat auch nicht mit einer Ablehnung seiner niederösterreichischen Abgeordneten gedroht.

Es ist zwar keine Überraschung, dass die Pressesprecher des Justizministers und der Innenministerin keine Zeit für den von den Sekretariaten versprochenen Rückruf fanden, aber es ist bedauerlich. So muss auf eine „authentische“ Antwort auf folgende Frage verzichtet werden: Ob denn die beiden, jetzt plötzlich skeptischen, ÖVP-Minister bei der entscheidenden Ministerratssitzung nicht anwesend gewesen seien. Und wenn sie doch dort waren, warum  sie dann die Vereinbarungen zur Kontoöffnung ohne richterlichen Beschluss nicht beeinsprucht hätten? Immerhin wusste Brandstetter vor ein paar Tagen, dass „wir skeptisch sind“, die Kontoöffnungen ohne richterlichen Beschluss zu machen. Eine Überraschung, die es in den letzten Begutachtungstagen noch zu verhindern gilt, können die Bestimmungen also nicht gewesen sein, wenn "wir", also auch die Beamten des Justizministeriums, skeptisch waren.

Wie gesagt, es war keine Erklärung dafür zu erhalten, warum die beiden ÖVP-Minister nun plötzlich gegen etwas sind, wofür sie im Ministerrat noch gewesen sein mussten. Da erinnert man sich schlagartig an die Antwort des ehemaligen Justizministers Dieter Böhmdorfer (FPÖ), der auf die Frage, warum er denn den teuren Eurofighter-Kauf unter Schwarz-Blau nicht beeinsprucht habe, obwohl auch er skeptisch gewesen sei: Es sei, so Böhmdorfer, im Ministerrat nicht Usus, die Vorlage eines Regierungskollegen abzulehnen und zwar aus Angst, man käme dann mit seinen eigenen Anträgen nicht durch. So sieht es also aus!

Kein Wunder, dass sich die Regierung Faymann-Mitterlehner nun wieder in einen Wirbel reden und somit ihr „großes Werk der Steuerreform weiter beschädigen muß, um das Seltsame zu erklären: Es habe doch einen Beschluss gegeben, man werden nachbessern, nein, sicher nicht neu verhandeln, die Beamten des Finanzministeriums seien schuld, nicht doch, das ist Hans Jörg Schelling davor, ein Kompromiss werde möglich sein, was liegt, das pickt – und was der Kakophonie noch mehr ist.

Bei so viel Unklarheit in einer so wichtigen Sache wie den angedachten „Spitzelstaat“, in dem jeder Finanzbeamte die Kontobewegungen jedes Bürgers abrufen könnte, drängt sich wirklich die Frage auf: Was haben sie sich dabei gedacht? Jene, die es beschlossen haben und nun dagegen sind und jene, die jetzt treuherzig versprechen, es werde schon keine "Schnüffelei" und „Willkür“ geben.  Jetzt vielleicht nicht, aber kann das für alle künftigen Regierungen garantiert werden?  Der Staat tendiert doch dazu, noch jede Möglichkeit, die er sich zugesteht, exzessiv zu nützen.

Bei dem politischen und parteipolitischen Tohuwabohu, das nun wieder veranstaltet wurde, wäre es fast beruhigend zu wissen, dass es sich dabei um ein bewusst gefinkeltes Manöver handeln könnte:  Die bequeme Kontoöffnung ist nicht mehr als eine Sollbruchstelle. Diese wird eingebaut, damit sich Kritiker daran „abarbeiten“ können und die wirklich wichtigen Dinge gar nicht beachten. Bei solchen Sollbruchstellen zeigt man sich dann einsichtig, um den Rest der Bestimmungen sang- und klanglos durchzubringen. Das hätte dann schon was an taktischer Raffinesse.

Aber ist sie Faymann, Mitterlehner, Schelling, Brandstetter und Mikl-Leitner wirklich zuzutrauen?

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