Wann wurde Nachdenken eigentlich verboten?

Es ist beunruhigend was dem Publikum, ob Lesern oder Zuhörern, so alles "verkauft" wird: Drei Fallbeispiele

Es ist eh wurst! Nein nicht wie in Conchita, sondern wie in egal. Es spielt keine Rolle, es hat keine Konsequenzen, es ist eigentlich unwichtig, aber es ist einfach ärgerlich, was mitunter so - nur eine kleine Auswahl aus den letzten Tagen - gesagt oder geschrieben wird. Rund um die österreichische Politik haben fortgesetzte Angriffe auf die Intelligenz der Medienkonsumenten diese bereits schon sturmreif geschossen. Es fällt gar nicht mehr auf, wenn sie beleidigt wird.

Da äußert sich der Industrielle Hannes Androsch bei einer Diskussion wieder zum Zustand der Regierung. Die Doppelfunktion von Michael Spindelegger als Finanzminister und Vizekanzler passt ihm gar nicht: „Das ist wie Faust und Mephisto zugleich in einer Person".
Er muss es ja wissen, denn er war von 1976 bis 1981 Finanzminister und Vizekanzler (in einer Person, wie anzunehmen ist). Leider ist in dem Bericht nicht überliefert, ob jemand im Publikum gefragt hat, wie sich das damals als Faust/Mephisto angefühlt hat. Und leider wurde auch der Leser für dumm verkauft, weil der Bericht die Relativierung seiner Aussage durch einen Hinweis auf seine eigene Vergangenheit vornehm unterlassen hat.

Der Leser denkt sich vielleicht, „Wow! Wie recht er doch hat", und merkt gar nicht, wie er hinters Licht geführt wird. Wäre ja nicht so schlimm, wenn es sich nur um Androsch handeln würde. Er hat auch ein Recht, über Nacht, oder besser über Jahrzehnte, gescheiter zu werden. Aber diese Art von Unredlichkeit ist leider auch bei anderen Informationen zu befürchten. Das macht den Bericht so ärgerlich.
Und dann der Grüne Peter Pilz: Er hat das Plakat seiner Partei mit dem Bild von Ernst Strasser am Pranger kritisiert. Nun hat aber die Grüne Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl, Ulrike Lunacek, in der ORF-Pressestunde gemeint, Pilz sei in jenem Gremium, das die Kampagne, Strasser inklusive, abgesegnet hat, anwesend gewesen und hätte keinen Einspruch erhoben. Wenn das stimmt, dann hätte sich Pilz besser daran erinnert und nachgedacht, bevor er auf der Welle der Kritik, die das Plakat ausgelöst hat, surfen wollte. Wenn es nicht stimmt, hat Lunacek gelogen. Die Öffentlichkeit hätte ein Recht darauf, das zu erfahren. Die „Wahrheit" müsste doch zu erfahren sein. Aber, wie gesagt, eh wurst!
Zwischen Androsch und Pilz kommt Werner Schima von „Österreich", der doch tatsächlich seinen Lesern in einem Kommentar verkaufen wollte, Tom Neuwirth und seine Kunstfigur Conchita Wurst seien eine „Inspiration für die Politik" in Österreich und diese möge sich doch bitte ein Beispiel nehmen, wie man innovativ denken kann. Tom Neuwirth ist in der Tat ein sympathischer junger Mann, ob er nun als Er oder Sie auftritt, aber ihn gleich die ganze Innenpolitik umzuhängen, das hat er sich nicht verdient. Und nicht einmal Leser einer Gratiszeitung haben es sich verdient, so verhöhnt zu werden. Wurde ihnen irgendwann das Nachdenken verboten, so dass sie das Lächerliche eines solchen Vergleichs nicht durchschauen?
Irgendwie ist es bedrückend, wie leicht dieses Land in eine Hysterie kippen kann. Da war ein Eintrag auf Facebook noch das Gescheiteste, was am Boulevard in den letzten Tagen geschrieben wurde: „ Gott sei Dank ist Conchita Wurst nicht Karl Schranz aus Cordoba" - oder so ähnlich.

Das Publikum, ob Leser oder Zuhörer, sollte anfangen, sich gegen die Angriffe auf seine Intelligenz zu wehren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.