Nahost: Wird Bush am Ende triumphieren?

Analyse: Wenn im Nahen Osten tatsächlich mehr Demokratie einzieht, heißt das noch nicht, dass die arabischen Regierungen unbedingt amerikafreundlicher werden müssen.


In dieser Stunde sind unsere Truppen im Anfangsstadium einer Militäroperation, die den Irak entwaffnen, sein Volk befreien und die Welt vor einer großen Gefahr schützen soll." So hatte US-Präsident George W. Bush im Oval Office, die Hände verschränkt auf dem Schreibtisch, fest in die Kamera blickend, vor zwei Jahren den Beginn des Angriffs auf den Irak verkündete.

Die vermeintlichen Massenvernichtungswaffen wurden nie gefunden, die irakische Bedrohung erscheint im Nachhinein als maßlos übertrieben, und die Befreiung des irakischen Volkes endete nicht nur mit dem Sturz einer Diktatur, sondern mit der Zerstörung eines ganzen Staates. Es war erst nach dem Krieg, alle Legitimationsgründe hatten sich bereits in Luft aufgelöst, da begann Washington einen weiteren Kriegsgrund stärker denn je zu trommeln: demokratisches Licht in die absolutistische arabische Finsternis und diktatorische Regime wie Dominosteine zu Fall zu bringen. Ist es dieser nachgereichte Casus Belli, dessentwegen Bush vielleicht am Ende doch als Triumphator in die Geschichte eingehen wird?

"Nach Jahrzehnten der Trockenheit regnet es im Nahen Osten endlich Demokratie", schreibt eine libanesische Tageszeitung begeistert. In Beirut zelebriert die Opposition täglich ihre "Zedernrevolution". Erstmals wurde eine arabische Regierung friedlich zum (vorübergehenden) Rücktritt gezwungen, selbst der allmächtige Nachbar Syrien zieht seine Truppen ab. Und wenn die Ägypter im Herbst einen neuen Präsidenten wählen, werden sie zum ersten Mal mit etwas für sie völlig Exotischem konfrontiert sein: mit Wahlmöglichkeiten.

Palästinenser und Iraker haben schon gewählt, wenngleich unter Besatzungsbedingungen, selbst in der politischen Wüste Saudi-Arabien gab es demokratische Tröpfchen - die ersten Kommunalwahlen, aber nur für Männer.

Der 11. September und der Irak-Krieg haben neue Bewegung in der Region ausgelöst. Besonders dort, wo innerer und äußerer Reformdruck einhergehen, sind Resultate sichtbar. Die libanesische und die ägyptische Opposition sind keine amerikanische Erfindung, aber sie können heute mit US-Rückendeckung agieren. Im Libanon waren jene, die ein Ende des syrischen Einfluss forderten, in den letzten Jahren immer lauter geworden. Die Ermordung des ehemaligen Premiers Rafik Hariri wirkte wie ein Katalysator. Und wieder war der Rückenwind aus Washington und Paris förderlich.

In Ägypten hatte sich die Opposition schon seit langem auf eine einzige politische Forderung geeinigt: die Veränderung der Verfassung, damit der Präsident unter mehreren Bewerbern gewählt werden kann. Der wie ein Pharao seit 23 Jahren regierende Hosni Mubarak musste nun nachgeben, weil der Druck der Straße größer wurde und US-Präsident Bush die Notwendigkeit von Reformen in Ägypten in kaum einer wichtigen Rede ausgelassen hat.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die unfreiwilligen Bündnisgenossen in Sachen arabischer Demokratie unterschiedlicher nicht sein können. Die ägyptische Opposition hat zuletzt vor allem durch ihre Unterstützung der palästinensischen Intifada und durch ihre vehemente Gegnerschaft zum Irak-Krieg an Popularität gewonnen. Aber ohne den amerikanischen Druck wäre sie mit ihrer Forderung nach politischer Reform wohl noch lange in der Rolle des Rufers in der Wüste verblieben. Die Rechnung ist einfach: Washington braucht eine lokale arabische Opposition, und die arabische Reformbewegung braucht Washington, auch wenn das keine Liebesbeziehung ist.

Wie im Irak-Feldzug riskieren die Strategen aus Washington aber erneut, den gleichen Fehler zu wiederholen und die Zeit danach nicht zu planen. Einmal geöffnet, kann das arabische Demokratie-Fass leicht zu für Washington ungeliebten Nebenwirkungen führen. Weder Israel-Freundlichkeit noch gesellschaftlich fortschrittliche Reformen sind da programmiert.

Schon heute zeigt sich, dass undemokratische arabische Institutionen gesellschaftliche Reformen durchsetzen wollen, die von den wenigen demokratischen Institutionen - meist besetzt mit Islamisten und traditionalistischen Scheichs - blockiert werden. Der Emir von Kuwait will das Frauenwahlrecht einführen und scheitert am konservativen Parlament; Jordaniens König Abdullah will "Ehrenmorde" an Frauen strenger bestrafen, sein Parlament lehnt ab. Arabische Gesellschaften sind oft konservativer als ihre Regime.

Und radikaler, wenn es um ihren umstrittenen Nachbarn Israel geht. Hätten die ägyptische und jordanische Regierung tatsächlich einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen, wenn sie demokratisch zur Rechenschaft gezogen hätten werden können? Und ein syrischer Präsident, der die Golan-Höhen aufgibt, wäre auch in einem demokratischen Syrien die längste Zeit Präsident gewesen.

Auf arabische Regime, ohne jegliche Legitimität und Popularität, kann relativ leicht von außen Einfluss genommen werden. Mehr Legitimität schafft da automatisch mehr Unabhängigkeit - auch vom Westen. Aber das ist dann wahrscheinlich eher das Problem des nächsten US-Präsidenten.

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