Heumarkt: „Karten neu mischen“

Nachdenkpause. Der vorläufige Stopp für das Großprojekt Heumarkt-Neugestaltung freut die Denkmalpfleger. Wie es mit dem sensiblen Areal nun weitergeht, ist aber vorerst offen.

Was als Nächstes kommt, weiß niemand so genau. Eine „Nachdenkpause“ hatte die grüne Planungsstadträtin, Maria Vassilakou, vorige Woche verkündet, in der die Neugestaltung des Heumarkt-Areals neu verhandelt werden muss. Zu groß waren die Bedenken wegen des 73-Meter-Wohnturms. Viele Fragen sind nach dem abrupten Stopp aber noch offen:

1. Kam der vorläufige Stopp des Hochhausbaus wirklich überraschend?

Ja und nein. Der Projektwerber wurde vom Stopp überrumpelt: Auch wenn das Verfahren nicht abgeschlossen war, etwa das Flächenwidmungsverfahren noch ausstand (das nun nicht eingeleitet wird), war man bei der Wertinvest schon in den Detailplanungen für die Neugestaltung des 15.000-Quadratmeter-Areals mit den Landmarks Hotel Intercontinental, Konzerthaus und Wiener Eislaufverein.

Diese Details sollten Anfang Juni in einer Ausstellung vorgestellt werden. Zudem war die Stadt von Anfang an eingebunden – auch bei der Präsentation des von Isay Weinfeld gestalteten Wohnturms Anfang 2014 saß Wiens Planungsdirektor; Thomas Madreiter; neben Investor Michael Tojner auf dem Podium. Andererseits war, auch wenn Vassilakous Stopp durch die jahrelange Debatte über das Hochhaus spät erscheint, das Verfahren eben noch am Laufen. So wurden im Zuge der strategischen Umweltprüfung „deutlich negative Auswirkungen“ auf das Stadtbild festgestellt. Auch der von Vassilakou eingesetzte Fachbeirat für Architektur und Stadtgestaltung hat eben erst massive Bedenken geäußert, mit denen nun der Stopp erklärt wird. Die Expertenmeinungen zu ignorieren, hätte sich Vassilakou wohl kaum erlauben können.

2. Welche Reaktionen hat Vassilakous Nachdenkpause ausgelöst?


Abgesehen von (erwartbarer) Kritik der Opposition (ÖVP: „absoluter Dilettantismus“) durchaus positive. Die parteiinternen Kritiker Vassilakous sind zufrieden: Sie hatten unter anderem kritisiert, dass sich die Stadt in die Hände eines Investors begebe, der sich die Neugestaltung mit einer für ihn günstigen Flächenwidmung abkaufen lasse. Die Nachdenkpause – eine solche haben namhafte Architekten schon vor genau drei Jahren gefordert – sieht der grüne Klubchef im ersten Bezirk, Alexander Hirschenhauser, positiv. Überrascht hat sie ihn nicht: „Von einem seriösen Fachbeirat habe ich nichts anderes erwartet.“

Auch der Präsident von Icomos Austria, dem nationalen Rat für Denkmalpflege, Wilfried Lipp, der die Unesco berät, sieht den Stopp „sehr positiv“, zumal das Hochhaus „eklatant den Vorgaben der Unesco“ widerspreche: Da es auf der historischen Sichtachse vom Belvedere auf die Innenstadt liegt, hätte es den Weltkulturerbestatus der Innenstadt gefährdet.

3. Wie kann es nun überhaupt weitergehen ?

Stadt und Projektwerber Wertinvest werden nun über weitere Schritte beraten. Für Denkmalschützer Lipp steht allerdings fest, „dass die Karten nun völlig neu gemischt“ werden müssen: „Es wird nicht reichen, den Turm drei Geschoße niedriger zu machen.“ Vielmehr müsse das gesamte Projekt „redimensioniert, ein völlig neuer Zugang erarbeitet werden“. Anders gesagt: Einen Wohnturm mit Luxus-Eigentumswohnungen – mit dem sich Tojner die 210-Millionen-Euro-Finanzierung des Areals mitfinanziert hätte – könne es so wohl nicht mehr geben.

Ob Tojner bereit ist, das Projekt nach Jahren der Planung noch einmal bei (fast) null zu beginnen, wird sich weisen. Ein Ausstieg der Wertinvest wäre für die Stadt sehr problematisch: Das Hotel Intercontinental und fast der gesamte Heumarkt gehören der Wertinvest (Hirschenhauser: „Dieser Verkauf war ein nicht wiedergutzumachender Fehler.“) Die Stadt könnte die Sanierung also theoretisch gar nicht ohne die Wertinvest in Angriff nehmen. Praktisch wäre dies aus budgetären Gründen vermutlich sowieso nicht machbar.

Unabhängig von den Verhandlungen wird die Unesco im Juli darüber befinden, ob der Wohnturm das Weltkulturerbe der Innenstadt gefährden würde. Dass sich die Unesco positiv über das Projekt äußert, ist allerdings mehr als unwahrscheinlich.

4. Was bedeutet die Nachdenkpause für den Wiener Eislaufverein?


Auf dem stadtplanerisch sensiblen Heumarkt liegt vielen vor allem der Eislaufverein (WEV) am Herzen. Was der Stopp für den Verein bedeutet, darüber berät der Vorstand heute, Mittwoch. Der WEV hat jedenfalls einen Pachtvertrag bis 2058, dieser hätte im Zuge des städtebaulichen Vertrags von der Wertinvest um 99 weitere Jahre verlängert werden sollen. Die Räumlichkeiten des WEV sind zwar in die Jahre gekommen, akut sanierungsbedürftig sind sie aber nicht.

5. Gibt es eigentlich nur Gegner der geplanten Neugestaltung?


Durchaus nicht. Vor wenigen Tagen hat die Wertinvest auf der Facebookseite Heumarkt neu eine Kampagne gestartet, in der sich Prominente und Wirtschaftstreibende für die Neugestaltung – die öffentliche Freiflächen, Turnsäle etc. bringen würde – aussprechen. Christian Konrad lobt in seiner Funktion als Präsident des Konzerthauses den geplanten Vorplatz, der eine Öffnung für das Konzerthaus bedeute. Modedesigner Petar Petrov freut sich auf einen „neu belebten Heumarkt“. Auch Lilli Hollein oder Hermann Fankhauser (Wendy & Jim) äußern sich positiv. Auch Unternehmerin Eveline Steinberger-Kern, Ehefrau des neuen Bundeskanzlers, spricht von einem „sehr schönen Projekt“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2016)

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