„Da bleibt einem tatsächlich der Atem weg“

Raumklima. Neue Technik ist gut, neue Richtlinien besser, beste Wartung aber unerlässlich.

In jedem dritten österreichischen Büro ist die Luft viel zu trocken, in vielen Schulklassen übersteigt der Kohlendioxidgehalt den Grenzwert erheblich – bei diesen Studienergebnissen der Plattform www.meineraumluft.at bleibt einem sprichwörtlich der Atem weg. Wer unter solchen Bedingungen arbeiten muss, leidet an Unkonzentriertheit, Ermüdung, Augenbrennen und Kopfschmerzen.

Oft sind schlechte Klimatisierungssysteme die Ursache. Gerade in Büros und Gewerbebetrieben ist ein gutes Klima nicht nur zwischenmenschlich von großer Bedeutung. „Das gilt insbesondere für moderne Neubauten mit hochdichter Fassade, da dort kein natürlicher Luftaustausch stattfindet“, sagt Christof Braunegg, Lüftungs- und Klimatechniksachverständiger sowie Geschäftsführer der Wiener Consultair.

Verbesserte Komponenten

Als Beispiel verweist er auf das Krankenhaus Nord, wo die Haustechnik inklusive Lüftung ein System darstellt, wie es in dieser – nicht unumstrittenen – Komplexität derzeit auf keiner anderen Baustelle Österreichs zu finden ist. Wobei: „Großartige Erfindungen gibt es auf diesem Sektor nicht“, wie Thomas Mader, Geschäftsführer des Herstellers Stiebel Eltron in Hörsching bei Linz, betont. „Der Fortschritt liegt eher im steigenden Wirkungsgrad der einzelnen Komponenten.“ So etwa ermöglichen verbesserte Technologien, dass moderne Systeme kaum Undichten aufweisen und mit Wärmebreitstellungsgraden von über 90 Prozent arbeiten. Eine eigene Önorm (EN 13779) regelt die Anforderungen an Lüftungsanlagen in Nichtwohngebäuden, einzelne Bundesländer wie etwa Niederösterreich haben zusätzlich eigene Vorgaben festgelegt.

Da die Lüftung einen erheblichen Anteil am Gesamtenergieverbrauch eines Betriebs ausmachen und daher entsprechend ins Geld gehen kann, sind solch energieeffiziente Lösungen sehr gefragt. Wichtig sind auch bedarfsgerechte Lüftungssysteme: Sensoren registrieren beispielsweise anhand des Kohlendioxidwerts in einem Raum, wie viele Menschen sich dort befinden, und regulieren die Lüftungsanlage.

Nicht zuletzt wird die Effektivität eines Systems durch die Wartungsintensität bestimmt. Auch hier haben die Wissenschaftler Tricks parat: Wärmetauscher aus Aluminium lassen sich laut Mader sehr gut reinigen, den regelmäßigen Filteraustausch ersparen freilich auch sie nicht.

Kleinste Partikel filtern

Doch selbst die atemberaubendste Technik hilft wenig, wenn die Luft schlecht aufbereitet ist. Nur Zuführen von außen ist zu wenig. Gewerbeimmobilien liegen oft in Gebieten wie Stadtzentren oder an großen Straßen und sind daher dem Feinstaub ganz besonders ausgesetzt. Diese Partikel müssen daher ausgefiltert werden. Auch dafür existieren Normrichtlinien, die vor zwei Monaten verschärft wurden und beim Bau neuer Gewerbeimmobilien in Österreich schrittweise umgesetzt werden sollen. Mithilfe technischer Innovationen sind die Forscher bestrebt, nicht nur Partikel zurückzuhalten, die weniger als ein Mikrogramm wiegen – wie es auf dem Markt befindliche Filter bereits können –, „sondern auch gasförmige Schadstoffe zu eliminieren,“ erklärt Sascha Deifel, Geschäftsführer der Camfil Austria GmbH in Wien, die sich auf die Herstellung und Entwicklung von Luftreinigungssystemen spezialisiert hat. „Über die Lungenbläschen gelangen solch kleine Teilchen bis ins Blut“, erklärt Deifel die gesundheitsschädlichen Auswirkungen dieser Stoffe in der Atemluft. Britische Mediziner veröffentlichten vor wenigen Wochen sogar angebliche Nachweise für einen Zusammenhang mit Alzheimer-Erkrankungen. Eine andere Möglichkeit zur Optimierung der Atemluft sei die Anreicherung der Raumluft mit Ionen, weiß Braunegg. Ionen wirken sich positiv auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz aus, werden jedoch durch Kunststoffe neutralisiert.

Vor allem beim nachträglichen Einbau von Lüftungsanlagen setzt man verstärkt auf dezentrale Lösungen. Intelligente Lüftungskomponenten können in Fassadenelemente oder Fußböden integriert werden und regeln die Klimatisierung einzelner Gebäudeteile dank Sensoren bedarfsgerecht und energieschonend. Das erspart lange Leitungen vom zentralen Technikraum aus, erfordert aber einen erhöhten Wartungsaufwand. „Bei Sanierungen ist das heute die bevorzugte Variante“, fasst Mader zusammen.

SEMINAR

Die Qualität des Raumklimas ist häufig eine Angelegenheit der richtigen Wartung und Betriebsführung der Lüftungs- und Klimaanlagen.

Ein ganztägiges Seminar desInstituts für Facility-Management (ATGA) in Wien widmet sich am 9. März diesem Thema. Den Schwerpunkt bildet die Vermittlung von Kenntnissen zur vorbeugenden, wirtschaftlichen Instandhaltung. Zielgruppe sind Gebäudetechniker und Mitarbeiter des Facility-Managements. Die Kursgebühr beträgt 910 Euro (exkl. Ust.).

www.atga.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.