SPÖ: Nach der Wahl ist vor der Wahl

Pamela Rendi-Wagner
Pamela Rendi-Wagner APA/ROBERT JAEGER
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Die SPÖ wollte den wenig erfolgreichen Sonntag so schnell wie möglich abhaken. Man verlor kaum ein Wort über die EU-Wahl, während Wien für die SPÖ gegen den Trend gewann.

Wien. Am Ende werden alle Hoffnungen zerstört: 23,4 Prozent! Mit einer gewissen Ernüchterung wird im Festzelt der SPÖ das Endergebnis der EU-Wahl (inkl. Wahlkartenprognose) zur Kenntnis genommen. Denn gegen 23 Uhr ist es am Sonntag amtlich: Die SPÖ fährt ein Minus von 0,7 Prozentpunkten ein; trotz des Ibiza-Videos und des Zerbrechens der türkis-blauen Bundesregierung. Die SPÖ kann das alles nicht nutzen.

Stunden zuvor hatten viele Genossen gehofft, dass es noch anders kommen würde. Denn die Wahlbefragung, die um 17 Uhr über die Bildschirme im Festzelt in der Löwelstraße flimmerten, sorgten dort für betroffene Gesichter: „-0,6 Prozentpunkte“ stand dort.

Im ersten Schock wurden Durchhalteparole ausgegeben: Das sei nur eine Befragung und keine Hochrechnung. Beim Endergebnis werde man zugelegt haben und besser liegen, wie es auch SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder formulierte. Es kam anders – wodurch im Festzelt die ersten Stimmen auftauchten, die Kritik an SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner äußerten: Seit dem Auftauchen des Ibiza-Videos hätte es keine klare Linie gegeben – das habe sich nun gerächt. Gleichzeitig gerieten manche der Kritiker ins Schwärmen über die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, die mit ihrem ZiB2-Auftritt nicht wenige Genossen beeindruckt hat: „Sie hat die Linie zurecht gerückt, was notwendig war. Sie wäre eine sehr gute Spitzenkandidatin“, meint ein SPÖ-Mann.

Eine Obfrau-Diskussion dürfte der SPÖ aber nicht ins Haus stehen – auch wenn einige lieber Bures in die Nationalratswahl schicken würden. „Es gibt immer ein paar Unzufriedene“, meint dazu der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Und dürfte für die überwiegende Mehrheit der Partei sprechen.

Als die Wahltagsbefragung um 17 Uhr bekannt wurde, hat das prognostizierte Minus Rendi-Wagner und die Genossen im Festzelt (nach außen hin) wenig beeindruckt. Vielmehr brandete frenetischer Jubel auf – eine Art rote „Jetzt-erst-recht“-Stimmung: „Diese Wahl ist geschlagen. Ab morgen sind wir in einem neuen Wahlkampf“, meinte Rendi-Wagner kämpferisch. Und lenkte den Blick damit weg von der EU-Wahl, hin zur Nationalratswahl. Auch Schieder hatte zu diesem Zeitpunkt schon vorgebaut: Die SPÖ habe es bei Europawahlen immer etwas schwerer – vor allem in der Mobilisierung, hatte er gemeint.

Nur: Die entscheidende Phase des EU-Wahlkampfs war mit dem Ibiza-Video von einem innenpolitischen Thema überschattet. Das könnte ein böses Omen für die kommende Nationalratswahl sein; auch wenn die Genossen das so nicht sehen wollen.

Realistischer sah das Ex-Ministerin Eleonora Hostasch: „Ich bin enttäuscht“, meinte sie frustriert zur „Presse“. Offenbar gebe es bei den Österreichern ein hohes Bedürfnis nach Sicherheit. „Wenn man dem Bundeskanzler nicht das Vertrauen ausspricht, dann . . .“, meint Hostasch in Anspielung an den Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz am heutigen Montag, während Hannes Swoboda sinnierte: „Kein überragender Erfolg.“ Nachsatz: „Die Kommunikation muss verbessert werden“, meint der frühere SPÖ-Europaparlamentarier, der mit seiner Frau, der früheren SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer, gekommen war.

Wiener SPÖ legt deutlich zu

Es gab aber einen Hoffnungsschimmer für Rendi-Wagner – die Wiener SPÖ. Entgegen den bundesweiten Trend konnte die Partei von Bürgermeister Michael Ludwig nach „Presse“-Informationen sogar um rund drei Prozent auf 30,6 Prozent zulegen. Mit den stabil liegenden Grünen (20 Prozent, minus 0,8 Prozentpunkte) konnte die Rathauskoalition einen Erfolg einfahren – was ein Wiener Genosse jubelnd kommentierte: „Wer hat gesagt, dass Rot-Grün tot ist?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2019)

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