Neos: Zweckoptimismus und Party in Pink – trotz Stagnation

Claudia Gamon
Claudia GamonAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Für das Ziel, ein zweites Mandat, dürfte es nicht reichen. Die Neos feiern trotzdem – und legen eine Messlatte für die Nationalratswahl.

Wien. Tosender Jubel, viel Pink, von Ohrringen bis zu dem bärtigen Mann, der im komplett Neos-pinken Anzug gekommen war, und viel Europa-Begeisterung bei den jungen Partygästen: Kinder spielen mit Sternenkreis-Luftballons, Studentinnen trinken in „EU-Groupie“-Shirts Flaschenbier. Die Neos begingen ihren Wahlabend mit einer Begeisterung und einem Optimismus, als hätte man sich nicht eigentlich mehr versprochen. Laut Prognose 8,7 Prozent, ein Mandat, das Niveau des ersten Antretens bei einer EU-Wahl wurde gehalten, das Ziel, ein zweites Mandat, der Prognose bzw. dem Ergebnis ohne Briefwahl nach verfehlt.

Ein „Oh“, als das eine Mandat auf der Videowall aufscheint, unterbricht den Jubel. Stimmen, man habe gedacht, in der aktuellen Situation, angesichts des guten Wahlkampfes hätte mehr zu holen sein müssen, unterbrechen den Optimismus, den die Parteispitze ausgibt. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger spricht in der Neosphäre, dem Dachgeschoss der Partei im Siebten Bezirk, von einem „ganz großartigen Erfolg“ – wenn man bedenke, wo die Neos herkämen, den 5,3 Prozent der letzten Nationalratswahl.

Stagnation? „Großartig“

Die Auslegung ist klar: Man habe das beste Ergebnis der Parteigeschichte erreicht, die acht Prozent seien ein positives Signal für die Nationalratswahl. Auch Spitzenkandidatin Claudia Gamon – begrüßt mit langem Applaus, unzähligen Umarmungen, immer wieder von „Claudia, Claudia“-Rufen unterbrochen – will den Schwung, die acht Prozent, in den neuen Wahlkampf mitnehmen. Und ins EU-Parlament: „Acht Prozent haben sich für die Vereinigten Staaten von Europa ausgesprochen! Das haben wir geschafft!“ Man spricht viel vom gemeinsamen Erfolg, vom zweiten Mandat lieber nicht mehr. Dabei hatte es dafür gut ausgesehen. Gute Umfragen, die Parteiführung berichtete von viel Zuspruch. Für Meinl-Reisinger ist es die erste Wahl als Parteichefin, der Schritt, die Neos ohne Matthias Strolz in der Parteienlandschaft fix zu verankern, ist gelungen, wenn auch mit stagnierendem Ergebnis.

Dabei lief der Wahlkampf glücklicher als 2014, als die Neos mit Spitzenkandidatin Angelika Mlinar und Ideen vom Privatisieren von Wasser oder Gesundheitssystem viel Angriffsfläche boten. Unter Gamon lief der Wahlkampf betont sachlich, positiv, pro-europäisch. Die Neos gaben sich als EU-Fans – und Gamon, die als junge und zuvor wenig profilierte Spitzenkandidatin als gewisses Risiko galt, schlug sich gut. In TV-Debatten konnte sie mit Sachlichkeit, EU-Themen und respektvollem Umgang glänzen.

Meinl-Reisinger betonte am Wahlabend die Richtigkeit der Entscheidung, mit Gamon auf eine junge Frau zu setzen. Das Ziel eines zweiten Mandates verfehlte Gamon aber. Für Meinl-Reisinger und den Nationalratswahlkampf ein durchwachsenes Signal. Sie hat sich zwar nicht nur als Parteichefin etabliert, sie wurde vielfach als eigentliche Oppositionsführerin wahrgenommen. Auch in der jüngsten Hysterie agierte die Parteiführung sachlich, betont staatstragend. Auch, wenn die Ankündigung, Sebastian Kurz nicht das Misstrauen auszusprechen, ein zweischneidiges Signal ist: Es sollte Verantwortungsbewusstsein zeigen, wurde aber auch als Anbiederung bzw. zartes Signal Richtung türkis-pinker Koalition ausgelegt. Für die wären aber deutliche Zugewinne nötig. Deutlichere, als diese Stagnation erhoffen lässt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2019)

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