Die EZB als Ausbeuterin der Sparer

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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins auf ein Rekordtief gesenkt. Eine schlechte Nachricht für viele - nicht aber für die Banken.

Wien. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in der Vorwoche den Leitzins überraschend gesenkt – auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent. Eine schlechte Nachricht, allen voran für die Sparer. Wenn die EZB den Leitzins senkt, drückt sie indirekt auch die Sparzinsen nach unten: Das heißt, die Banken werden die Sparzinsen demnächst eher senken als erhöhen.

Damit müsse man im schlimmsten Fall rechnen, sagt ein Bankberater einer Bawag-Filiale im dritten Wiener Bezirk. Er könne nicht versprechen, dass es in der nächsten Woche noch immer so hohe Zinsen gibt wie aktuell. „So hohe Zinsen wie jetzt!“ – das klingt sehr interessant. Für ein einjähriges Sparbuch bietet die Bawag schon jetzt nur noch 0,25 Prozent. Freilich vor Abzug der Kapitalertragsteuer. Nach Abzug der Inflation ergibt das saftige Realverluste. Bei anderen Filialbanken wie Bank Austria, Raiffeisen Wien-NÖ oder Erste Bank gibt es ähnlich geringe Sparzinsen. Fazit: Die Sparer werden systematisch enteignet.

Staatsanleihen werfen wenig ab

Sichere Staatsanleihen sind für die konservativen Anleger noch immer keine ertragreiche Alternative. Zwar gab es vor etwa drei Monaten ein Anzeichen einer Zinswende – die wurde aber nun von der EZB endgültig abgedreht. Es wird auch in den nächsten Monaten nur sehr geringe Renditen bei Staatsanleihen geben. Ein Beispiel: Eine zehnjährige österreichische Staatsanleihe (ISIN: AT0000A105W3) wirft aktuell eine Rendite von rund 1,9Prozent ab. Nach Abzug der Steuer und allen Kosten bleibt dem Anleger eine jährliche Rendite von unter einem Prozent. Langfristig wird er einen deutlichen Realverlust anhäufen.

Franken dürfte nicht abwerten

Der Paukenschlag aus der EZB ist auch ein Schock für die vielen heimischen Franken-Kreditnehmer. Die haben in den vergangenen Jahren Kursverluste erlitten, da der Euro zum Schweizer Franken seit 2008 dramatisch an Wert verloren hat. Nun ist klar: Die Investoren werden auch zukünftig kein großes Interesse haben, ihr Geld „vom sicheren Hafen“ Schweiz in die krisengebeutelte Eurozone zu verschieben, da dort keine höheren Zinsen mehr winken. Die Kreditnehmer müssen befürchten, dass der Eurokurs weiterhin bei 1,2 bis 1,3 Franken dahindümpelt.

Ein Schuldner, der Anfang 2000 einen Franken-Kredit zum Gegenwert von 100.000 Euro und zu einem Kurs von 1,6 aufgenommen hat, steht heute nicht mehr mit einer Kreditschuld von 100.000 Euro da. Sondern mit 130.000 Euro. Zwar haben sich die Franken-Schuldner in der Zwischenzeit rund 18.000 Euro an Zinsen erspart. Das wiegt aber die Kursverluste nicht auf; ihr Verlust liegt bei rund zwölf Prozent. Fazit: Die Situation bleibt für die Franken-Schuldner prekär. Und Zinsen ersparen sie sich mit den Franken-Krediten auch nicht mehr. Der Zinsunterschied zwischen Euro- und Franken-Zinssätzen macht aktuell 0,2 Prozentpunkte aus (bei den Drei-Monats-Geldmarktzinsen). Also fast nichts.

Wer sind die Gewinner der EZB-Zinsentscheidung? Allenfalls die Banken. Die Institute können sich praktisch zum Nulltarif Geld leihen, um damit Kredite mit Zinsmargen von über zwei Prozent an Kunden zu vergeben.

Kreditzinsen sehen niedrig aus

Zeitgleich rühmen sie sich damit, dass sie Kredite zu sehr günstigen Konditionen vergeben. Das stimmt– aber auch nur deswegen, weil sie im Vergleich zu vor wenigen Jahren günstig erscheinen.

Aus den Zinsstatistiken der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) wird aber deutlich: Die Banken schlagen auf ihre Kredite eine ordentliche Marge auf. Das ist für die Kunden in Zeiten, in denen die Basiszinssätze (Euribor) extrem niedrig sind, nicht so offensichtlich. Langfristig aber, wenn die EZB den Leitzins wieder erhöht, wird es für die Kreditnehmer teuer.

Fazit: Die Banken befinden sich in einer komfortablen Situation. Die Kreditnehmer beschweren sich nicht, weil sie deutlich weniger für ihre Darlehen zahlen als früher.

Fonds als attraktives Angebot?

Einen Gewinner gibt es noch: die Fondsbranche. Die Branche kann die verzwickte Lage als Argument heranziehen, warum Privatanleger gerade jetzt mehr Risiko bei der Anlage nehmen sollten, dafür professionelle Hilfe in Anspruch nehmen müssen und gerade in ihre Fonds investieren sollten – weil bei risikolosen Anlagen die realen Verluste garantiert sind. Das stimmt in diesem Fall auch tatsächlich. (ker)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2013)

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