Gesundheit: Warnungen vor Ärztemangel am Land

Gesundheit Warnungen aerztemangel Land
Gesundheit Warnungen aerztemangel Land(c) Bilderbox
  • Drucken

Unattraktive Rahmenbedingungen, fehlende Anreize: Schon jetzt sind viele Jungmediziner nur schwer für eine Praxis am Land zu motivieren. Auf das Gesundheitssystem kommt eine doppelte demografische Herausforderung

Wien. Den ländlichen Gebieten Österreichs könnte ein Ärztemangel drohen. Das liege allerdings nicht daran, dass zu wenige Mediziner ausgebildet werden – sondern an einer schlechten Verteilung. Zu diesem Fazit kam der Bundesrat am Mittwoch, der unter anderem Ärztekammer-Präsident Arthur Wechselberger zu einem Hearing eingeladen hatte.

Wohl auch, weil der neue Präsident der Österreichischen Ärztekammer als praktischer Arzt in Tirol selbst von der Problematik betroffen ist, zeigte sich Wechselberger von seiner emotionalen Seite – wild gestikulierend und immer lauter werdend: Er warnte davor, dass der Arztberuf auf dem Land immer unattraktiver werde. Schuld daran seien schlechte Rahmenbedingungen: „Wir brauchen mehr Hausapotheken“, forderte er.

Außerdem sollten die Kompetenzen der niedergelassenen Ärzte überdacht werden und die Zusammenarbeit der Ärzte in einzelnen Bereichen gestärkt werden. Er monierte zudem, dass die Zahl der Ärzte in den vergangenen Jahren zwar „gewaltig gestiegen“ sei, aber Kassenstellen „nahezu gleich geblieben sind“.

Auf das Gesundheitssystem komme allgemein eine doppelte demografische Herausforderung zu: Der „Durchschnittsarzt mit Kassenvertrag“ sei 56 Jahre alt, drei Viertel der Betreffenden seien männlich. Bei den Turnusärzten dagegen betrage der Frauenanteil 60 Prozent. Hier sei „nicht nur mit einem Generationswechsel zu rechnen, sondern auch mit einem ganz gewaltigen Geschlechtertausch“.

Norbert Mutz, Vizerektor der Med-Uni Innsbruck, sah am Mittwoch vor allem ein Problem: Viele Medizinabsolventen würden abwandern. Es sei schwer, Jungmediziner dazu zu motivieren, „in die Praxis auf dem Land zu gehen“.

Auch laut Josef Kandlhofer, Generaldirektor im Hauptverband der Sozialversicherungen, müsse man „die regionale Ausgewogenheit im Auge behalten“. Und: „Die Mediziner drängen in die Spitäler.“ Viele Patienten würden ebenfalls lieber in die Ambulanz gehen, als sich vom niedergelassenen Arzt behandeln zu lassen.

Bei den Kassenstellen sei die Lage unterschiedlich: In manchen Gegenden seien Mehrfachausschreibungen nötig. „Wir werden uns durchaus Anreizsysteme überlegen müssen“, meinte er – etwa eine bessere Honorierung für Ärzte, die „an die Peripherie gehen“. Im Umkehrschluss werde es dann wohl auch „negative Anreize“ für Niederlassungen in Ballungsräumen geben. Außerdem plädierte er für die Finanzierung aus einer Hand.

Ländern die Spitäler wegnehmen

Wechselberger hat bereits in der Vorwoche vorgeschlagen, den Bundesländern die Verantwortung für die Spitäler zu entziehen. Denn es könne nicht sein, dass die Länder gleichzeitig Gesetzgeber, Spitalsträger und Leistungsanbieter seien – und am Finanzierungstopf säßen. Für die niedergelassenen Ärzte blieben so nicht mehr viele Ressourcen übrig. Sein Vorschlag stieß bei den Landeshauptleuten allerdings nur auf Kritik. Bundesratspräsident Georg Keuschnigg (ÖVP) stellte fest, es dürfe zu keiner „geografischen Zweiklassenmedizin“ kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.