Gute Kommunikation fördert Therapie-Verlauf

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Kritikpunkt. Ärzte, Therapeuten und Pfleger behandeln ältere Menschen mitunter herablassend.

Unterhaltungen zwischen jüngeren Pflegekräften und älteren Patienten unterscheiden sich manchmal nicht von Unterhaltungen zwischen Erwachsenen und zweijährigen Kindern. Mit diesen Worten machte kürzlich der deutsche Arzt und Medizinethiker Dr. Linus Geisler auf einen wunden Punkt im Gesundheitswesen aufmerksam.

Gerade ältere Menschen werden von Ärzten, Pflegern und Therapeuten mitunter gönnerhaft und herablassend behandelt – ein nicht immer bewusstes Verhalten, das auch als „patronizing“ bezeichnet wird. Übertrieben familiäre Anredeformen wie „Oma“ oder „Opa“, genauso wie eine hohe Stimmlage oder übertriebene Betonung dürften im Arzt-Patient-Gespräch nicht vorkommen, meint Geisler.

Sprachliche Entmündigung

Allerdings tragen Senioren mitunter selbst einen Teil zur Entstehung einer Art „Sekundärer Babysprache“ bei: Sie passen sich im Sprachstil an, sprechen langsamer und reduzieren ihren Wortschatz – damit entsteht ein gefährlicher Kreislauf aus sprachlicher Entmündigung. Eine gelungene Kommunikation trägt dagegen zum Wohlbefinden des Patienten bei und fördert den Verlauf der Therapie. „Wer den Augenkontakt mit dem Patienten sucht, ihm zulächelt, zunickt und Interesse signalisiert, der hat die Chance, dankbare Patienten zu erleben“, weiß Geisler.

Verbesserungswürdig

„Prinzipiell geht es um respektvollen Umgang mit älteren, nicht um Vorschreibungen, was richtig und was zu unterlassen ist“, sagt Univ.-Prof. Dr. Florian Menz vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. „Manche ältere Leute mögen vielleicht intime Anredeformen, andere dagegen nicht. Das muss im Gespräch herausgefunden werden.“ Die richtige Definition von Respekt heißt laut Menz, den anderen in seinen Bedürfnissen ernst zu nehmen und sich darauf einzulassen.

Dass sich in der Behandlung älterer Menschen noch einiges in Sachen Kommunikation verbessern lässt, bestätigt Dr. Thomas Egger, ärztlicher Direktor im Geriatriezentrum Donaustadt. „Ärzte oder Pflegende versuchen auf einer vermeintlich gleichen Ebene zu sprechen, aber es ist nicht die gleiche Ebene“, äußert Egger auch in einem Artikel in der Fachzeitschrift Geriatriepraxis Österreich.

Unzureichende Schmerztherapie

Auf Geriatrie spezialisierte Ärzte schenken diesem Aspekt jedoch zunehmend Aufmerksamkeit – eine Tatsache, der auch in der Ausbildung entsprechend Rechnung getragen wird. „An unserer Abteilung versuchen wir in den Teambesprechungen laufend herauszufinden, was an der Kommunikation mit unseren Patienten noch verbessert werden könnte“, berichtet Egger.

„Zur Geriatrie gehört auch die richtige Wortwahl“, unterstreicht Prof. Dr. Franz Böhmer, ärztlicher Direktor des sozialmedizinischen Zentrums Sophienspital. „Im persönlichen Gespräch mit betagten Patienten ist es ganz wichtig, deren individuelle Geschichte und Bildungsgrad miteinzubeziehen.“

Während einem Patienten vielleicht auf Grund seiner früheren beruflichen Tätigkeit medizinische Fachausdrücke zuzumuten sind – „er wird sich auch getrauen, nachzufragen“ – muss einem anderen Patienten Befund und Therapie in verständlicher deutscher Sprache mitgeteilt werden.

Zusätzliche Bedeutung erlangt die Sprache bei älteren Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen und Demenzerkrankungen: „Ein geistig verwirrter Patient wird dem Arzt nicht sagen, dass er im Unterbauch Schmerzen hat, aber er wird vermutlich das Gesicht verzerren, sich krümmen oder die Schmerzen auf andere Weise zum Ausdruck bringen“, erklärt Böhmer. Wird auf derartige Äußerungen nicht eingegangen, dann erhalten demente Patienten häufig eine unzureichende Schmerztherapie. „Damit verschlimmert sich ihr Gesamtzustand und es kommt zu Zuständen völliger Verwirrtheit, mitunter auch aggressivem Verhalten.“

Eine gute Möglichkeit, sich mit dementen, älteren Patienten zu verständigen, liegt in der Validation. Dabei handelt es sich um eine spezielle Kommunikationsmethode, die bereits an vielen Pflegeeinrichtungen etabliert wurde. „Es geht dabei um Würde, Respekt und Anerkennung, einfach um das Wichtignehmen der anderen Person“, erklärt dazu Egger.

Spezialistin auf diesem Gebiet ist die Linzer Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie zertifizierten Validationslehrerin Ulli Praschl: Sie leitet beim Samariterbund in Oberösterreich Ausbildungen zum Validations-Anwender bzw. Schulungen für pflegende Angehörige: „Validation ist sowohl im Vier-Augen-Gespräch als auch in der Gruppenarbeit möglich“, erläutert Praschl.

Voraussetzung ist es, den anderen als vollwertigen Menschen anzuerkennen und seine Gefühle und Bedürfnisse anzuerkennen. „Selbst professionelle Pflegekräfte berichten nach solchen Gesprächsrunden, sie hätten niemals vermutet, wie viel an Kommunikation mit ihren Patienten überhaupt noch möglich ist.“

Themenbereiche wie Schmerz und Demenzerkrankungen bilden auch Schwerpunkte des Geriatrieforums in Bad Hofgastein, das von 3. bis 6. März in Bad Hofgastein stattfindet.

WISSEN: Das Alter und seine Ärzte

www.geriatrie-online.atGeriatrie ist jene medizinische Disziplin, die sich den besonderen Bedürfnissen älterer Menschen widmet.

Der Arzt: Geriater berücksichtigen die im Alter häufigen Mehrfach-Diagnosen (Multimorbidität) und Gebrechlichkeit genauso wie reduzierte Stoffwechsel-Leistungen und eventuelle kognitive Beeinträchtigungen.

Ausbildung: Für Allgemeinmediziner oder Ärzte verschiedener Fachrichtungen besteht die Möglichkeit, durch eine Spezialausbildung das „Geriatrie-Diplom“ der Österreichischen Ärztekammer zu erlangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.