Moderne Rehabilitation: Patienten immer jünger

(c) REUTERS (MATHIEU BELANGER)
  • Drucken

Heute erwarte sich auch der 70-Jährige von einer Rehabilitation mehr als Schmerzerleichterung. Galt früher "Hauptsache, ich kann wieder einigermaßen gehen". Auf die spezielle Situation des Einzelnen werde Rücksicht genommen.

Weder spektakulär noch revolutionär: Rehabilitation ist so etwas wie Medizin im Stillen, Medizin ohne Schlagzeilen. Aber wichtige Medizin, erspart sie doch Schmerzen, Leid, Krankenstandstage, Geld. „Rehabilitation trägt einen guten Teil dazu bei, dass der 50-Jährige nach einem Bandscheibenvorfall wieder schneller in den Arbeitsprozess integriert werden kann, dass die 70-Jährige nach einer Sturzverletzung nicht zum Pflegefall wird“, betont Univ.-Doz. Dr. Johannes Kirchheimer, Primar der Sonderkrankenanstalt für medizinische Rehabilitation Thermenhof im Warmbad Villach. Der Thermenhof wurde übrigens mit dem Gütesiegel der Joint Commission International ausgezeichnet, einem Qualitätssicherungssystem, das Zufriedenheit und Sicherheit des Patienten in den Mittelpunkt stellt.



„Die Ansprüche des Patienten werden immer höher. Darauf geht die moderne Rehabilitation ein.“

Dr. Johannes Kirchheimer/Warmbad Villach

Die Ansprüche des Patienten, so Kirchheimer, würden immer höher. Heute erwarte sich auch der 70-Jährige von einer Rehabilitation mehr als Schmerzerleichterung. Galt früher „Hauptsache, ich kann wieder einigermaßen gehen“, will auch der betagte Patient von heute noch langlaufen oder wandern oder golfen. „Darauf muss die moderne Rehabilitation eingehen. Und sie tut es auch.“

Auch auf die spezielle Situation des Einzelnen werde vermehrt Rücksicht genommen, so Kirchheimer. „Fährt der Patient beispielsweise 50.000Kilometer im Jahr mit dem Auto, werden wir über Autositze reden. Einen Bildschirmarbeiter werden wir hinsichtlich des ergonomischen Arbeitsplatzes beraten; einem schweren Rheumatiker werden wir Wege aufzeigen, wie er sich sein Leben leichter gestalten kann.“ Äußerst einfühlsam müsse man mit amputierten Patienten vorgehen, da sei es sehr wichtig, ihnen aufzuzeigen, wie sie auch mit einem Arm, mit einem Unterschenkel ein vollwertiges Leben führen können. Da seien neben Ärzten, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftlern Psychologen besonders gefragt.

Auf psychologische Betreuung setzt man auch im Moorheilbad Harbach, das neuerdings neben der klassischen orthopädischen Rehabilitation auch spezielle Rehabilitation nach Sportverletzungen bietet, die spezifischer Behandlungsstrategien bedarf und auf den Säulen ärztliche Betreuung, aktive Bewegungstherapie und Prävention beruht. „Die Zahl der Jüngeren, die zu uns auf Reha kommen, wird immer größer. Da sind viele Sportler darunter, und die sind ungeduldig und leiden mitunter sehr, dass sie momentan nichts machen können“, sagt Dr. Johannes Püspök, ärztlicher Leiter des Moorheilbades Harbach.

Sportler überschätzen sich oft

„Da ist der psychische Aspekt, das Aufarbeiten der Verletzung und das Wissen, wie viel Zeit man seinem Körper geben muss, sehr wichtig“, wirft Sportorthopäde Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, Leiter des Zentrums für Regenerative Medizin an der Donau-Universität Krems, ein. Zudem sei ein individuelles Rehabilitationsprogramm für den Sportler wesentliche Voraussetzung für einen Erfolg. „Durch frühes Einsetzen von funktioneller Nachbehandlung, intensiver Koordinationsübungen und sportspezifischen Trainingsinhalten kann eine Rückkehr in den Sport rasch erreicht werden.“

Sportverletzungen, so Nehrer, seien aber in vielen Fällen vermeidbar, „die Leute machen Fehler, weil sie sich selbst überschätzen und falsch trainieren.“ Laufen müsste man genauso lernen wie rechnen. Nach einem Volksmarathon etwa seien die Ordinationen und Ambulanzen voll, „weil viel ohne entsprechende Vorbereitung am Marathon teilnehmen, weil sie es falsch angehen.“

Aber nicht nur die Zunahme an Sportverletzungen verjüngt die Rehaklientel, auch die Tatsache, dass Kunstgelenke in immer jüngeren Jahren eingesetzt werden, trägt dazu bei. „Es ist noch gar nicht so lange her, da musste man ein gewisses Alter für ein künstliches Knie oder eine Hüftendoprothese haben“, weiß Univ.-Doz. Dr. Manfred Weissinger, Leiter der orthopädischen Abteilung im Moorheilbad Harbach. Verbesserte Operationstechniken und neue Materialien haben das Alterslimit für derlei Eingriffe gesenkt. Weil Hüften und Knie jetzt länger halten und größere Bewegungsfreiheiten zulassen.

Hinsichtlich des Kniegelenksersatzes zeigt eine neue Studie aus Irland: Bei Patienten, die vor der Operation sechs Wochen ein spezielles Training zur Kräftigung der Beinmuskulatur absolvierten, war der Rehabilitationserfolg größer. In allen untersuchten Kategorien – darunter Muskelkraft, Kniefunktion, Struktur der Muskeln – schnitt die Trainingsgruppe deutlich besser ab. Mit dieser Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass ein Training vor dem Einsatz von Knieendoprothesen Vorteile für die postoperative Beweglichkeit und Belastbarkeit bringt. Dies gilt für jedes Alter.

Wichtige Sturzprophylaxe

Der Großteil der Rehabilitationspatienten ist noch immer 60plus. „Wir haben auch immer mehr ältere Menschen mit einer Reihe von Begleiterkrankungen“, so Kirchheimer. Und da geht es freilich auch um Sturzprophylaxe. „Die gehört bei betagten Patienten zu einer der wichtigsten Rehamaßnahmen“, so Püspök. „Viele haben nach einem Oberschenkelhalsbruch Angst vor einem weiteren Sturz, Angst vorm Gehen. Es ist ganz wichtig, diesen Menschen die Angst zu nehmen“, ergänzt Kirchheimer.

Denn Rehabilitation ist eine komplexe Sache, ist mehr als Wiederherstellung eines Gelenks, mehr als Massagen und Physiotherapie. Gute Rehabilitation erfasst den ganzen Menschen mit all seinen Bedürfnissen und Problemen, wie es gute Medizin ja auch tun sollte.

www.warmbad.at

www.moorheilbad-harbach.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.