Sturzerkennung: Als Senior im trauten Heim

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Junge Firma Spantec hat ein System entwickelt, das bei Stürzen automatisch und sehr zuverlässig Alarm schlägt. Das System, das hinter der Sturzerkennung steht, wurde ursprünglich für anderen Bereich entwickelt:

Telemedizin ist definitiv die Zukunft“, sagt Armin Blaha. Der Chef der jungen Firma Spantec will nun mit einer Eigenentwicklung den AAL-Markt aufmischen. AAL steht für „ambient assisted living“, das bedeutet, dass ältere Menschen mit Hilfe von Technologie möglichst lang in ihren eigenen vier Wänden leben können sollen.

Das erste Produkt von Spantec widmet sich einem riesigen, bislang kaum gelösten Problem: der Sturzerkennung. Für Senioren ist es extrem wichtig, dass möglichst rasch Hilfe kommt, wenn sie stürzen. Die Lösung von Blaha und seinen zehn Mitarbeitern ist ein Neopren-Gurt, in den ein Sturzsensor integriert ist. Die Daten werden über ein Funknetzwerk weitergeleitet. Im Fall des Falls wird nach vorher definierten „Eskalationsstufen“ Hilfe gerufen. Etwa durch eine SMS an eine Vertrauensperson oder eine Meldung an einen Wachdienst etc.


Sturz-Datenbank. Der Sensor erkennt einen Sturz mit einer Zuverlässigkeit von über 97 Prozent. Das ist notwendig, denn es darf kein falscher Alarm passieren. Das Problem dabei: Jeder Mensch stürzt anders – und jeder Sturz ist anders. Dennoch muss das System genau erkennen, ob sich ein Mensch z.B. nur in das Bett fallen lässt oder ob er wirklich stürzt. Diese Unterscheidung lernten die Forscher im Zuge der Entwicklung: durch eine große Rohdatenbank, die in Kooperation mit der geriatrischen Abteilung der Christian Doppler Klinik erstellt wurden. „Dieses System nimmt den Menschen die Angst davor, nach einem Sturz stundenlang ohne Hilfe ausharren zu müssen“, so Primar Bernhard Iglseder.

Das System, das hinter der Sturzerkennung steht, wurde ursprünglich für einen ganz anderen Bereich entwickelt: für den Sport. Blaha war nach dem Studium an der FH Technikum Wien am Aufbau des Sport-Biomechanik-Labors am Olympiazentrum beteiligt. Dabei gab es das Problem, dass es zwar viele Sensoren gibt, die den Organismus eines Leistungssportlers überwachen, diese Daten aber nur mit hohem Aufwand übermittelt und ausgewertet werden können. Daher hat Blaha gemeinsam mit einem Kollegen eine neue Sensorplattform namens „Neon“ sowie die Anbindung an die Funktechnologie „ANT+“ entwickelt – in Kooperation mit einigen Fachhochschulen (etwa Hagenberg) und Universitäten (Sportwissenschaftler in Wien).

2008 wurde Spantec mit Hilfe des Linzer AplusB-Zentrums „Tech2Be“ gegründet. Unterstützung dafür kam aus dem Seed-Programm der Austria Wirtschaftsservice (AWS), Forschungsmittel kamen von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). In Summe wurde bisher rund eine Million Euro in die Entwicklung investiert, davon stammt rund die Hälfte aus Förderungen. Zwei Patente wurden angemeldet. „Ohne Förderung kann sich ein Unternehmen nicht leisten, lange in Forschung zu investieren und einen Markt aufzubauen“, so Blaha.


Vitaldaten. Schnell kamen die Tüftler drauf, dass der Leistungssport kein wirklicher Markt dafür ist. Doch sie merkten, dass es in der Telemedizin großen Bedarf für ihre Idee gibt. Eingebettet ist die Sturzerkennung nun in eine System namens „i-Residence“, durch das eine Wohnung oder ein Haus in kürzester Zeit mit einem medizinischen Überwachungssystem ausgestattet werden kann. In jedem Zimmer wird ein Relais an eine Steckdose gesteckt, diese vernetzen sich automatisch mit einer Basisstation, die wiederum per GSM-Karte mit einem zentralen Server verbunden ist.

Das i-Residence-System kann auch zur Überwachung von Vitaldaten (Gewicht, Blutdruck, Blutzucker) eingesetzt werden. Diese Daten können direkt in eine Datenbank eingespeist werden, etwa in die künftige elektronische Gesundheitsakte ELGA. Denkbar ist weiters, Pulsmessungen oder ein Dauer-EKG einzubinden – etwa um Herzrhythmusstörungen zu diagnostizieren bzw. überwachen zu können.

Auf den Markt bringt Spantec nun zudem eine mobile Version des Sturzssensors – gedacht ist sie für gefährliche Berufe wie Forstarbeiter, die Feuerwehr oder Arbeiter in Tiefkühlhäusern. „Alle Teile des Systems wurden von uns selbst entwickelt, die Geräte werden in Oberösterreich gefertigt, die komplette Wertschöpfungskette ist in Österreich“, sagt Blaha stolz.

Das Unternehmen hat international bereits für Aufsehen gesorgt: Genutzt wird das System u.a. von der Harvard Medical School zur Weiterleitung von Daten über Puls und Blutdruck. „Es besteht die Chance, dass unser System auf der Internationalen Weltraumstation ISS zum Einsatz kommt“, so Blaha. Und zwar für eine Art „Hirnscanner“, der den Zustand der Astronauten überwachen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2011)

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