Burn-out-Kuren: Privatanbieter kritisch getestet

BurnoutKuren Privatanbieter kritisch getestet
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Interview mit "Relax Guide"-Herausgeber Christian Werner: unzulängliche Küche in vielen Wellnesshotels. Viele Hoteliers glauben, eine gute Küche definiere sich über exotische Produkte und alpenferne Verrenkungen.

„Die Presse“: Wollen Sie privat überhaupt noch Wellnessurlaub machen?

Christian Werner: In den vergangenen 13Jahren bin ich 250.000Kilometer mit dem Auto gefahren, um zu rund 1500Wellnesshotels zu gelangen. Da bekommt der Begriff Wellness eine völlig andere Dimension. Er wird zu etwas völlig Alltäglichem. Trotzdem liebe ich Spa-Hotels auch weiterhin. Thermalwasser und gute Massagen, das ist schon was Feines. Was mich jedoch in den vielen Hotels immer mehr stört, ist die Küche.

Was stört Sie da konkret?

Viele Hoteliers glauben, eine gute Küche definiere sich über exotische Produkte und alpenferne Verrenkungen wie etwa Straußenfleisch, kanadischen Hummer oder Jakobsmuscheln, die übrigens immer tiefgekühlt angeliefert werden. Und sie legen Wert auf Quantität, also auf Buffets, deren Tische sich unter der Last biegen, wobei aber kaum auf die Qualität geschaut wird. Das ist häufig eine Küche, die vielleicht das Auge erfreut und immer satt macht, aber sie nährt nicht. Lange Transportwege, großindustrielle Herstellung, Tierzucht unter extrem widernatürlichen Bedingungen und fabriksmäßig vorgefertigte Speisen haben eben ihre negativen Auswirkungen auf die Qualität der Nahrung und die Gesundheit. Aber gerade die sollte doch beim Wellnessurlaub im Vordergrund stehen.

Was gibt es Neues im österreichischen Spa-Tourismus?

Neu sind insgesamt 3700 Betten und 40 Hotels, damit gibt es nun erstmalig mehr als 1000 Häuser in Österreich, die Wellness und Gesundheit anbieten. Das ist, bezogen auf die Größe des Landes, absoluter Weltrekord. Interessant ist auch die Entwicklung der Durchschnittspreise: Zum ersten Mal seit Jahren bleibt sie deutlich hinter der Inflationsrate zurück.

Im neuen „Relax Guide“ werden als „Extra“ Privatanbieter von Burn-out-Kuren bewertet. Warum?

Weil die Versorgung von Betroffenen über die Krankenkasse so unglaublich schlecht ist. Wenn Sie von einer Hummel gestochen werden oder einen Herzinfarkt erleiden, dann werden sie bis zur vollständigen Genesung bestens betreut, wenn nötig, sogar von einem Hubschrauber abgeholt. Ganz anders ist das aber, wenn Sie unter dem Burn-out-Syndrom leiden. Da werden Sie fürs Erste monatelang krankgeschrieben, und es passiert zunächst einmal gar nichts.

Aber es gibt doch stationäre Aufenthalte auf Kassenkosten.

Ja schon, aber meist erst nach langen Monaten erhalten Betroffene eine Chance, einen sechswöchigen stationären Aufenthalt auf Kassenkosten zu ergattern. Wir haben solche Patienten interviewt, es ist ihnen danach meist schlechter gegangen als zuvor. Beklagt haben sie sich unter anderem über eine unzureichende Infrastruktur, ganz besonders aber über den Mangel an einzeltherapeutischen Sitzungen. Außerdem wurde der Umstand, dass man mit einer großen Zahl von Menschen, die unter den verschiedenartigsten schweren psychischen Erkrankungen leiden, unter einem Dach zusammenleben muss, als bedrückend empfunden. Das hat sich natürlich auch auf den Genesungsfortschritt ausgewirkt.

Heißt das also, dass die von der Kasse bezahlten Kliniken schlecht sind?

Die geben sogar ihr Bestes. Aber wenn sie von der Krankenkasse nur rund 170Euro pro Tag und Nase erhalten, was sollen sie damit groß anfangen können? Da geht ja das meiste schon für Zimmer und Vollpension drauf – wie soll man damit etwa Einzelsitzungen finanzieren? Fazit: Auf diese Art kann man dem Burn-out kaum entrinnen. Und es verwundert nicht, dass so viele Menschen letztlich in der Frührente landen – auf unser aller Kosten. Das ist verrückt, und außerdem eine Verhöhnung der Beitragszahler.

Was ist die Alternative?

Es gibt sehr wohl viele Menschen, die keine vorzeitige Pensionierung anstreben, sondern möglichst schnell wieder in den Job zurück wollen. Der Markt hat darauf reagiert, es gibt inzwischen schon 26 Anbieter für Privatkuren. Die haben wir uns alle ganz genau angesehen.

Welche Qualität weisen die Privatanbieter von Burn-out-Kuren auf?

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern könnten größer nicht sein. Es gibt nicht einmal Spuren von einheitlichen Standards, die therapeutischen Zugänge und Konzepte gleichen sich bestenfalls wie Tag und Nacht. Auch in Sachen Ambiente, Zimmer und Küchenqualität gibt es starke Unterschiede.

Gibt es Scharlatane?

Ja natürlich. Wie in anderen Branchen gibt es auch in diesem Metier Könner, Künstler und freilich auch Scharlatane. Ein Kritikpunkt ist häufig auch die Lage: Belebende Natur ringsum, also dieses unglaublich starke Tool für die Regeneration von Körper und Geist, ist leider nur selten zu finden. Dagegen gibt es Kliniken, die von verkehrsreichen Straßen und Eisenbahnlinien geradezu umzingelt sind. Für die ohnedies schon höchst lärmempfindlichen Betroffenen ist das wohl nicht gerade optimal, da ackert wohl selbst der beste Psychotherapeut auf außerordentlich steinigem Boden.

Was kostet so eine Privatkur im Schnitt?

Auch bei den Preisen sind die Unterschiede exorbitant. So muss man für ein Wochenpaket, also inklusive Hotelleistungen, Arzt und Behandlungen zwischen 800 und 4000 Euro ausgeben. Teuer heißt jedoch längst nicht zwingend gut, bei einigen Häusern allerdings werden Betroffene nach der Kur mit Sicherheit sagen können, es sei die wichtigste Investition ihres Lebens gewesen.

Zur Person: „Relax Guide“-Herausgeber Christian Werner

Christian Werner, Magister der Politikwissenschaft, ist seit 14Jahren Jahren Herausgeber des kritischen Wellness-Führers „Relax Guide“. Der „Österreich Guide 2012“ listet 1009Adressen auf und ist im Buchhandel um 24,90€ zu erwerben.

Der gebürtige Wiener, verheiratet, Vater zweier Kinder, gilt als einer der profiliertesten Wellnessexperten im deutschsprachigen Raum. Er gibt auch das Jahresmagazin „Relax“ heraus.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.relax-guide.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2012)

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