Die stille Rückkehr der ausgestorbenen Tiere

Wölfin mit Welpe
Wölfin mit WelpeEPA
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Vor langer Zeit hat man sie ausgerottet, jetzt kehren bedrohte Tierarten wie Wolf, Luchs und Seeadler langsam nach Österreich zurück. Einige einst ausgestorbene Tierarten werden gezielt angesiedelt.

Von einem geglückten Comeback zu sprechen wäre noch zu früh. Es ist aber jedenfalls der Versuch einer Rückkehr: Der Wolf, der in Österreich Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet wurde, ist gerade dabei, sich hierzulande wieder anzusiedeln. Auch andere einst ausgestorbene Tierarten wie Seeadler, Bartgeier, Luchs oder Goldschakal werden – teils mithilfe von gezielt ausgesetzten Tieren – langsam wieder in unseren Breiten heimisch.

Beim Wolf aber hat niemand nachgeholfen: Die Wolfspopulation ist in fast allen Nachbarländern Österreichs – in Deutschland etwa konnte sich die Population in der Lausitz stabilisieren und ausbreiten – in den vergangenen Jahren gewachsen. Es sei also, sagt Georg Rauer vom Institut für Wildtierforschung und Ökologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, „nur eine Frage der Zeit, bis sich auch bei uns Wölfe ansiedeln“. In der Schweiz, nur etwa 20 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, lebt etwa ein Rudel, das jederzeit auch in unsere Breiten ziehen könnte.

Bisher ist der Wolf bei uns, salopp formuliert, eher auf der Durchreise. Der Lückenschluss könnte aber gelingen, immer wieder werden Wölfe in Österreich, meist in Grenzgebieten, gesichtet, die dann aber wieder abwandern. Auf dem Schneeberg etwa wurde zwei Jahre lang ein männlicher Wolf beobachtet, der dann plötzlich verschwunden ist. Ob er weitergezogen ist oder – verbotenerweise – abgeschossen wurde, ist nicht klar. Im Vorjahr hat man mittels DNA-Proben an von Wölfen gerissenen Tieren nachgewiesen, dass zumindest fünf verschiedene Individuen da waren, in den Jahren davor waren es drei bis neun. Das mag nach keiner sehr großen Zahl klingen, war aber Anlass für Experten, im Auftrag der Bundesländer – Naturschutz ist in Österreich Ländersache – einen Managementplan zu erarbeiten, mit dem Österreich auf die Rückkehr der Wölfe vorbereitet werden soll. Dieser Leitfaden, an dem unter anderem der WWF, das Institut für Wildtierforschung sowie Landwirtschaftskammer und Jägerschaft beteiligt waren, steht seit Ende 2012.

Aus Sicht des Naturschutzes wäre eine Rückkehr der Wölfe „auf alle Fälle zu begrüßen“, sagt Rauer. Gilt der Wolf doch als besonders bedrohte Tierart, die per EU-Recht in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) geschützt ist. Wölfe dürfen vom Menschen nicht in ihrem Lebensraum gestört, gefangen oder gar getötet werden. Anders gesagt: Entscheiden sich die Wölfe, auch in Österreich wieder sesshaft zu werden, darf das Land das nicht verhindern. „Die Frage ist also nicht, ob wir die Tiere brauchen“, sagt Christian Pichler vom WWF. „Die Frage ist vielmehr, wie wir es schaffen, mit ihnen zu leben.“

Hoher Wildbestand. Die Bedingungen wären jedenfalls gut: Noch nie war der Wildbestand in den Wäldern so hoch, was nicht zuletzt durch die steigende Zahl an Abschüssen deutlich wird. Die Tiere – ein Rudel besteht in der Regel aus vier bis sechs Tieren – hätten also ausreichend Nahrung. Zudem ist die Bevölkerung den Tieren gegenüber aufgeschlossener als früher: Denn das böse Image, das der Wolf jahrhundertelang hatte, hat das Raubtier verloren. Die Gefahr durch Tollwut, die früher auch von Wölfen übertragen wurde, ist in Mitteleuropa heute gebannt.

Auch sonst gilt der Wolf heute als für den Menschen nicht gefährlich. Angriffe sind äußerst selten: In Deutschland etwa hat es trotz der steigenden Zahl an Wolfsrudeln keine Zwischenfälle gegeben. Die sehr anpassungsfähigen Tiere können „durchaus damit umgehen, dass Menschen unterwegs sind, brauchen aber, gerade wenn sie Junge haben, ihre Ruhezonen“, so Rauer.

Ganz konfliktfrei wäre eine Rückkehr der Rudeltiere trotzdem nicht. Auch Naturschützer sehen Probleme, auf die auch im Managementplan eingegangen wird. Aus Sicht der Landwirte wäre eine Ausbreitung der Wolfspopulation naturgemäß wenig wünschenswert. Denn auch wenn der Wolf an sich das Wild im Wald jagt – „wenn er Schafherden ungeschützt auf den Almen findet, wird er dort Tiere reißen“, sagt Pichler vom WWF. Betroffen wären vor allem Schafe und Ziegen, seltener Rinder und Pferde. Das stellt besonders die Schaf- und Ziegenbauern vor große Herausforderungen: Der im Managementplan empfohlene Einsatz von Hütehunden ist ob deren Schulung aufwendig, eine elektrische Umzäunung der Weideflächen wäre nicht nur „außerordentlich kostspielig“, so Martin Längauer, Experte für Umweltpolitik in der Landwirtschaftskammer. Sie sei auf den Almen teils nicht umsetzbar: Die Weideflächen erstrecken sich oft über Kilometer, eine Einzäunung sei an gebirgigen Stellen kaum machbar. „Aus unserer Sicht sind geeignete Präventivmaßnahmen kaum möglich“, sagt Längauer.

Problematisch ist auch die Frage, wer für Schäden durch Wolfsrisse aufkommt: Hier hat jedes Bundesland eine andere Regelung, in einigen zahlt zwar die Versicherung des Bauern, dieser muss aber beweisen, dass ein Wolf das Tier getötet hat, was in vielen Fällen schwierig sei. Bei indirekten Schäden wie in Panik abgestürzten Tieren oder beschädigten Zäunen ist die Schadenersatzfrage noch heikler. Kehrt der Wolf zurück, „werden sich viele Bauern überlegen, ob sie die Almen weiter bewirtschaften“, sagt Längauer.

Auch die Jäger sind skeptisch. Ist doch noch nicht absehbar, wie das Wild auf den neuen Feind reagieren würde. Sucht es die bereitgestellten Futterplätze im Winter auf, wenn dort die Wölfe lauern? Zieht es weiter und verursacht Schälschäden an Bäumen, für die dann der zuständige Jäger haften müsste?

Luchs wird heimisch. Weniger umstritten ist da die langsame Rückkehr des ebenfalls im 19. Jahrhundert ausgerotteten Luchses. Nachdem vor einigen Jahren ein männlicher Luchs in Fotofallen getappt ist, entschloss man sich im Nationalpark Kalkalpen (OÖ), bei der Wiederansiedlung nachzuhelfen und setzte 2011 und 2013 je ein weibliches Tier aus. „Der Luchs steht auf der Roten Liste Österreichs, er ist Schutzgut des Nationalparks Kalkalpen“, sagt Sprecher Franz Sieghartsleitner. 2012 und 2013 gab es zwar Nachwuchs, allerdings auch Rückschläge: Das Männchen Juro ist seit 2013 verschwunden. Ob er abgewandert ist, abgeschossen wurde oder verendet ist, weiß man nicht.

Juros Schicksal ist bei Weitem nicht selten. Dass bedrohte Tierarten wie der Luchs immer wieder verbotenerweise abgeschossen werden, steht für Naturschützer außer Zweifel – auch wenn die Täter so gut wie nie gefasst werden. Bekanntestes Beispiel sind die Bären, deren versuchte Wiederansiedlung im Ötschergebiet gescheitert ist – auch weil „von 31 Bären 20 einfach verschwunden sind. Es ist wahrscheinlich, dass ein Teil davon illegal geschossen wurde“, so Pichler vom WWF. „Der Bär ist in Österreich also gleich zwei Mal ausgestorben.“ Zwar verirren sich ab und zu slowenische Bären nach Kärnten, eine Population gibt es in Österreich aber nicht mehr – eine Wiederansiedlung ist ebenfalls nicht geplant.

Geglückt ist die Rückkehr des ebenfalls einst ausgestorbenen Bartgeiers. Gezüchtete Tiere wurden ab 1986 in den Hohen Tauern freigelassen. Ein Langzeitprojekt, denn „Bartgeier werden erst mit zehn Jahren geschlechtsreif, das verzögert natürlich die Vermehrung und Ansiedelung“, sagt Richard Zink vom Institut für Wildtierkunde (Vet-Med-Uni Wien). Heute gibt es im gesamten Alpenraum an die 190 Bartgeier. „Die Population kann sich heute wieder selbst erhalten“, sagt Zink, damit gilt das Projekt als geglückt.

Noch in der Anfangsphase ist man bei der Wiederansiedlung des Habichtskauzes, mit der 2009 am Alpennordrand begonnen wurde. „Der Habichtskauz war in Österreich rund 65 Jahre lang ausgestorben“, sagt Zink. „Mittlerweile gibt es wieder neun Brutpaare. Weitere Freilassungen sind aber nötig, damit sich die Art wieder selbst erhalten kann.“ Der Seeadler wiederum ist von selbst zurückgekehrt. Heute gibt es 18 bis 20 Brutpaare, „der Seeadler ist auf einem guten Weg, aber noch nicht über dem Berg“, sagt Pichler. Auch diesen Greifvögeln wird die Rückkehr schwer gemacht: Illegale Abschüsse verzögern die Ausbreitung der Vögel.

Zahlen

1882 wird das letzte Wolfsrudel in Österreich ausgerottet, im selben Jahrzehnt sterben auch die Luchse in Österreich aus. Seit einigen Jahren werden beide Tierarten wieder in Österreich gesichtet.

1945 wird der letzte Seeadler in Österreich getötet. 2001 hat er das erste Mal wieder erfolgreich in Österreich gebrütet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2014)

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