Raumklima: Wohnhaus „Zur frischen Luft“

Gut isolierte Häuser brauchten eine automatische Belüftung, meinen Experten. Der Einbau soll von Beginn an mitgeplant werden.

Eine automatische Lüftungsanlage ist eine clevere Sache. Sie erwärmt mit der aus der Abluft gewonnenen Wärme die Zuluft und sorgt damit rund um die Uhr für frische Luft im Haus. Nach Meinung von Peter Tappler, einem unabhängigen Experten in Sachen Lufthygiene, sollte eine solche Komfortlüftung in keinem Neubau fehlen: „Die heutigen Bauten sind so dicht ausgeführt, dass der notwendige Grundluftwechsel über das Fensterlüften nicht mehr funktioniert“, sagt er. Blies in früheren Zeiten der Wind durch die Ritzen der Fenster und andere undichte Stellen der Bauwerke und sorgte damit für Frischluft, so sind moderne Niedrigenergie- und Passivhäuser nahezu luftdicht gebaut.

Wohlbefinden steigern

Mindestens vier bis fünf Mal täglich müsste in solchen Gebäuden fünf Minuten lang gründlich durchgelüftet werden, um für die notwendige Frischluftzufuhr zu sorgen, meint Hans Peter Hutter, Oberarzt am Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien. Das kostet erstens Energie, zweitens nehmen die wenigsten Bewohner diesen Aufwand konsequent auf sich. Bestätigt hat das eine Studie zur Luftqualität in energieeffizienten Neubauten, die Hutter gemeinsam mit Tappler im Vorjahr für das Österreichische Institut für Baubiologie und Bauökologie (IBO) sowie die Med-Uni Wien durchgeführt hat. Bei über 80 Prozent der über reine Fensterlüftung belüfteten Wohnräume wurden beispielsweise bei der CO2-Konzentration nicht einmal die Mindeststandards erreicht. Die unangenehmen Folgen solch abgestandener Luft: Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch Müdigkeit, Rückgang der Leistungsfähigkeit und Ähnliches.

Anders das Ergebnis bei Wohnhäusern, die mit Lüftungsanlagen ausgestattet waren. Hier entsprach die Luftqualität größtenteils den Anforderungen. Für die Studie, in die 120 Wohnobjekte einbezogen waren, haben die Wissenschaftler rund 3000 Einzelmessungen und über 570 Interviews durchgeführt. Die subjektive Beurteilung durch die Bewohner bestätigte die nüchternen Messergebnisse: 87 Prozent der Menschen in Häusern mit Lüftungsanlagen waren mit dem Wohnkomfort sehr zufrieden. Sie nahmen die Luftqualität deutlich positiver wahr – „frisch“, „angenehm“, „sauber“ – als Bewohner in Objekten mit reiner Fensterlüftung.

Feuchtigkeit zurückgewinnen

Aber nicht alles bei der Komfortlüftung ist eitel Sonnenschein. Vor allem bei älteren Anlagen klagen Bewohner immer wieder über trockene Luft. „Das muss heute nicht mehr sein“, sagt Christoph Steinhäusler vom Lüftungshersteller Hoval, „es gibt Anlagen mit Feuchterückgewinnung, solche Geräte sorgen automatisch für die gewünschte Luftfeuchtigkeit.“ Ebenso ist möglich, eine aktive Befeuchtung in die Komfortlüftung zu integrieren. Zu einer Bakterienschleuder, wie eine oft kolportierte Mär lautet, wird die Anlage dadurch nicht. UV-Licht und andere Techniken sorgen für hygienisches Wasser. Wobei die Senkung der Luftfeuchtigkeit durch die Anlage in vielen Fällen gewünscht wird: Permanent zu hohe Luftfeuchtigkeit in Verbindung mit Baumängeln ist eine Hauptursache für Schimmelbildung in Wohnräumen. Eine Komfortlüftung trägt dazu bei, das Wuchern der ungesunden Pilze an den Wänden zu verhindern. Zweiter, immer wieder zu hörender Kritikpunkt bei automatischen Lüftungsanlagen sind Geräusche. Völlig lautlos ginge es nicht, meint Steinhäusler: „Angestrebt wird ein Geräuschpegel deutlich unter 25 Dezibel, der kaum mehr wahrzunehmen ist.“ Um dieses Ziel sicher zu erreichen, sollten alle Komponenten der Anlage von einem Hersteller stammen und optimal aufeinander abgestimmt sein. Werden verschiedene Ventilatoren, Schalldämpfer und Lüftungskanäle kombiniert, müsste für eine Anlage eine individuelle schalltechnische Lösung geschaffen werden. Das können – abgesehen vom Aufwand – nur wenige Experten, so Steinhäusler.

Späterer Einbau aufwendig

Damit die Komfortlüftung in allen Belangen dem letzten Stand der Technik entspricht, raten Experten zu einer Ausführung nach ÖNORM H 6038. Das erleichtert außerdem eine Klärung im Fall von später auftretenden Mängeln. Bei einem Neubau sollte die Komfortlüftung bereits bei Planungsbeginn berücksichtigt werden. Dadurch lassen sich die Lüftungskanäle optimal in den Bau integrieren, was ebenfalls zu einem niedrigen Schallpegel beiträgt. Die Rohre für die Zu- und Abluft in der gesamten Wohnung zu verlegen macht den nachträglichen Einbau einer Komfortlüftung relativ aufwendig.

Aber auch hier gibt es heute Lösungen, um zumindest den Schlafraum und die Kinderzimmer mit Frischluft zu versorgen. Ein Fensterhersteller bietet sogar eine in den Fensterrahmen integrierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung an. Apropos Fenster: Sie lassen sich entgegen einem weiteren verbreiteten Irrglauben in Häusern mit Komfortlüftung jederzeit öffnen – wenn man will, den ganzen Tag lang.

Was Sie beachten sollten bei . . . einer Komfortlüftung

Tipp 1
Normgerecht. Planung, Montage,
Prüfung, Betrieb und Wartung einer kontrollierten mechanischen Be- und Entlüftung von Wohnungen mit Wärmerückgewinnung regelt die ÖNORM H 6038. Diese befindet sich auf dem letzten Stand der Technik und dient – wenn sie Teil der Ausschreibung war – in Streitfällen als eindeutige Referenz.

Tipp 2
CO2-gesteuert. Moderne Lüftungsan- lagen werden bedarfsgerecht gesteuert. Referenz ist der Kohlendioxidgehalt der Luft. Messfühler steuern die Leistung und sorgen automatisch dafür, dass der CO2-Wert im grünen Bereich bleibt. Im Internet gibt es ab ca. 150 Euro CO2-Messgeräte, die mit Smileys oder nach dem Ampelsystem die Luftqualität anzeigen.


Tipp 3

Gut geplant. Eine Komfortlüftung sollte schon in der ersten Phase der Planung berücksichtigt werden. Der Planer sollte entweder bereits Erfahrung mit derlei Anlagen haben oder entsprechende Experten beiziehen. Das gilt auch für die Montage. Herstellerübergreifende Infos: www.komfortlüftungssysteme.at, www.komfortlüftung.at, www.raumluft.org.

Mehr Tipps für Ihre persönlichen Finanzen:
www.diepresse.com/meingeld

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

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