Strenge Regeln für das Idyll

Wohnformen. In den USA lebt mancher gern unter Gleichgesinnten – was mitunter zu gröberen Problemen führt. Die Striktheit mancher Communitys ist Mitteleuropäern eher fern.

Gleich und gleich gesellt sich gern, auch beim Wohnen. In den USA gibt es mittlerweile Communitys für Interessenlagen, Weltanschauungen und Altersgruppen aller Art: Hier wohnen Golfer neben Golfern, teilen sich die flugbegeisterten Nachbarn eine Landebahn und wachen Senioren gemeinsam darüber, dass keine Youngsters unter 55 in die Nachbarschaft ziehen.
Oder darüber, dass es in der Siedlung im wahrsten Sinn des Wortes aussieht wie gemalt. Das ist beispielsweise den Bewohnern der Thomas Kinkade Community im kalifornischen Vallejo ein großes Anliegen. Wer in dieser Anlage eines der 101 Häuser gekauft hat, träumt von einem Leben wie in der Idylle der Kinkade-Werke. Die Bilder des 2012 verstorbenen Künstlers, der sich gern auch als Maler des Lichts bezeichnet hat, zeigen eine idealisierte amerikanische Kleinstadtidylle, die auch die Hausbesitzer in dieser umzäunten Anlage für sich schaffen wollen. So haben alle Häuser hier Satteldächer mit verzierten Giebeln, Veranden in den Vorgärten und sind in vier Varianten zu haben – die die Website SFGate.com passend als einen „pseudoviktorianischen, pseudoprovenzialischen, pseudokunsthandwerklichen und Pseudo-Neu-England-Stil“ bezeichnet.

Krisenfestes Dorfleben

Wer Teil dieses Idylls sein will, hat sich hier auch als Hausbesitzer an gewisse Vorschriften zu halten. Dazu gehört, dass die Autos nicht in den nachgemachten Kopfsteinpflasterstraßen geparkt werden dürfen, das Straßenlicht über Nacht anzubleiben hat und niemand die Farbe seine Hauses ändern darf. Kleine Einschränkungen, an denen sich die Bewohner des Idylls aber nicht zu stören scheinen. „Als wir hier eingezogen sind, kamen die Nachbarn mit einem Präsentkorb, und wir hatten die Hausschlüssel voneinander“, erinnert sich Bewohnerin Ramona Sampayan gegenüber dem SF Gate. „Es war wie in der guten alten Zeit, und wenn ein Haus leer stand, mähten die Nachbarn dort den Rasen mit und parkten ihr Auto in der Auffahrt, damit es nicht so verlassen aussah.“
Dieses Bestreben um die Aufrechterhaltung des Idylls hat sich zumindest teilweise ausgezahlt. Denn als die Immobilienkrise den Markt in großen Teilen Amerikas weitgehend zusammenbrechen ließ, gaben die Preise in der Kinkade-Anlage zwar etwas nach, aber bei Weitem nicht so dramatisch wie anderswo.

Gesinnungsgemeinschaften

Auch die etwas weniger malerischen Anlagen, in denen die Bewohner ihre Wunschvorstellungen vom perfekten Leben verwirklichen können, erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Dazu gehören neben einer stetig wachsenden Zahl von Golf-Communitys auch die sogenannten Aviationparks, in denen sich die Besitzer von Privatflugzeugen ihren Traum von Leben direkt neben Hangar und Landebahn, Tür an Tür mit anderen Flugbegeisterten, erfüllen.
Der aufstrebendste Markt der vergangenen Jahre ist aber zweifellos jener der Anlagen für Pensionisten und solche, die es eher früher als später werden wollen. Dabei werden die Ansprüche daran, mit wem man den Herbst des Lebens verbringen möchte, immer konkreter. So gibt es Anlagen, in denen sich die Senioren verpflichten müssen, eine gewisse Anzahl Wochenstunden in Weiterbildungskursen zu verbringen. In anderen wiederum leben Menschen indianischer Abstammung zusammen, und wieder andere bieten schwulen und lesbischen Pensionisten ein entsprechendes Umfeld.

Strikte Hausordnungen

Wobei hier der Teufel gern im Detail wohnt, und man sich das Kleingedruckte genau anschauen sollte, ehe man in Immobilien solcher Anlagen investiert. Dabei kommt es vor allem darauf an, genau hinzusehen, wie streng die Regeln sind, die je nach Anlage stark variieren. So ist die kürzlich in der „New York Times“ vorgestellte Anlage Fountaingrove Lodge im kalifornischen Santa Rosa zwar auf die LGBT-Community fokussiert, heterosexuelle Bewohner sind dort aber trotzdem willkommen. Was vielleicht anfänglich gar nicht so wichtig klingt, aber nach dem Ableben eines Partners schlagend werden kann, wenn die konservativ lebenden Kinder zu einem ziehen wollen.
Wie schwierig es werden kann, wenn Details wie etwa der Übernahme nicht von Anfang an bedacht wurden, müssen derzeit viele Hausbesitzer erfahren, die während der vergangenen zehn Jahre in eine der boomenden 55-plus-Communitys eingezogen sind. Was zunächst nach wunderbarer Ruhe ohne Kinderlärm und gar zu jungen Nachbarn geklungen hat, ist mittlerweile für viele zu einem Problem geworden. Denn oft ist die 55-plus-Regel eine unumstößliche: Und wer sich nach dem Tod des Partners oder einer Scheidung einem 49-jährigen Partner zuwendet, muss sich nach einem anderen Ort zu wohnen umsehen. Was je nach Lage des Immobilienmarkts ein durchaus unerfreuliches Erlebnis werden kann.

Im sportlichen Kontext

In Österreich ist ein so strikt reguliertes Leben unter Gleichgesinnten für die meisten unvorstellbar. Hier schätzen Hausbesitzer im täglichen Leben ihre Freiheiten; wenn überhaupt werden diese eher im Freizeitbereich zurückgestellt, beispielsweise beim Kauf eines Chalets in einer entsprechenden Anlage neben der Piste zum Ski-in-Ski-out oder einer Wohnung direkt beim Golfplatz. Aber auch da ist beim äußeren Erscheinungsbild der Immobilie Schluss mit dem Befolgen der Gemeinschaftsregeln: Das Alter der besseren Hälfte wird sich hierzulande wohl niemand vorschreiben lassen.

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