Londons neue Keller: Erdreich macht reich

Luxury Residential Properties In London As Sales Transaction Taxes Affect Values
Luxury Residential Properties In London As Sales Transaction Taxes Affect Values(c) Bloomberg (Matthew Lloyd)
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Weil über der Erde nichts mehr geht, bauen Londons Hausherren ihre Keller aus - im großen Stil.

Der königliche Stadtbezirk von Kensington und Chelsea: Die Heimat von Prinzessinnen und Prinzen (von Diana, Charlotte, George oder Catherine etwa); die Nachbarn hier heißen zum Beispiel Madonna oder Roman Abramowitsch, oft sind sie Botschafter oder osteuropäische Oligarchen.

Ein Merkmal, das die Bewohner des Viertels im Westen Londons jedenfalls eint, mag ihr Hintergrund noch so verschieden sein: der Reichtum. Die "Billionaire's Row" getauften Kensington Palace Gardens sind die teuerste Straße Englands - der durchnschnittliche Hauspreis dort liegt bei knapp 26 Millionen Euro, wie das Magazin "Forbes" schreibt. Und auch sonst sind Objekte in Kensington keine Schnäppchen. Die Immobilienpreise dort schossen von 2009 bis 2012 um 43 Prozent in die Höhe. Der Bezirk mit seinen pittoresken Häusern und grünen Vorgärten ist eine begehrte Adresse - und dabei der am dichtesten besiedelte Stadtteil Großbritanniens.

Keller als einzige Investitionsmöglichkeit

Und apropos dicht besiedelt: Wer Platz braucht, muss Platz schaffen; zumindest theoretisch. Im eleganten Kensington mit seiner klassischen Architektur ist das nicht so einfach. Zu eng sind die Straßen, um anbauen zu können, Dachausbauten sind verboten. Die Homogenität und die Idylle des Bezirks solle nicht zerstört werden, meint man in der Verwaltung.

Für die reichen Bürger Kensingtons ist das ein Problem. Immerhin will man das, was man sich leisten kann, auch irgendwo unterbringen. In zwei- oder dreigeschoßigen, schmalen, alten Häusern ist schnell einmal Schluss mit freien Flächen. Vor ein paar Jahren begannen die Hausbesitzer schließlich, in die Erde zu graben. Rechtlich ist so ein Vorhaben wasserdicht: Das Haus an sich wird dabei ja nicht sichtbar verändert. Eine Luxusalternative für mehr Platz in einer Stadt, die kaum mehr freie Bauflächen hat. Iceberg homes, Eisberghäuser, nennen die Briten die kleinen Häusern mit tiefen Kellern aus Marmor.

Der wohl größere Grund für die unterirdischen Baumaßnahmen: Kellerbauten sind die einzige Möglichkeit, den Wert eines Gebäudes zu erhöhen. Zwar sind Kellerquadratmeter etwa um die Hälfte weniger wert als Wohnquadratmeter an der Erdoberfläche. Dennoch sehen viele Hausbesitzer in London den Kellerausbau als eine gerechtfertigte Investition - und befüllen das Erdreich kurzerhand mit Kinosälen, Schwimmhallen, Diskotheken, Parkhäusern (oder einem Automuseum, wie der britische Unternehmer Jon Hunt es geplant hatte: seine Vintage-Ferraris sollten in 22 Metern Tiefe ausgestellt werden. Die Pläne waren der Verwaltung allerdings etwas zu ausgefallen.). Neben dem trophy house, dem Haus als "Trophäe", muss also oft auch schon der Keller dazugehören - the trophy basement. Preislich beginnt ein Kellerausbau bei einer Viertelmillion britischen Pfund.

Förderbänder durch Kensington

Kensington ist dabei so etwas wie der Hot Spot der Kellerausbauszene Londons geworden. Von 2009 bis 2012 gab die Bezirksverwaltung dort 800 Kellerbauanträgen statt; im Jahr 2013 allein gingen 450 Anträge ein. Ganze Straßenzüge in dem Stadtteil geben bergbauartige Szenen ab, wie es der britische "Guardian" beschreibt, mit Förderbändern, die die Erdmassen aus den Garten auf einen LKW-Anhänger transportieren.

Angrenzende Häuser nehmen während der Arbeiten teilweise Schaden: Risse in Mauern, zusammengestürzte Säulen, Niveauverschiebungen in solchen Maßen, dass Leute ihre Türen nicht mehr öffnen können. Selbst Berühmtheiten wie Joan Collins oder Brian May meldeten sich - als Anrainer - zu Wort. Die Schauspielerin Collins nannte in einem Interview mit einem lokalen Magazin die Kellervergrößerungen schockierend - die Bauherren würden ohnehin immer nur zwei, drei Monate im Jahr in dem Haus verbringen. Der Queen-Gitarrist May bezeichnete in einem Blogeintrag die Hausbesitzer als egoistisch und brutal. Generell beschweren sich die Bewohner vor allem über den ständigen Lärm - und abgefahrene Seitenspiegel, da die großen Lastwägen für die Erdtransporte oft nicht recht durch die engen Straßen passen mögen.

Auch die Bezirksverwaltung hat mittlerweile zumindest in Kensington und Chelsea eingegriffen: Sie will dem unkontrollierten Kellerausbau Einhalt gebieten und hat die Antragsprozedur verschärft. Die Kriterien für einen zulässigen Ausbau wurden ebenso strenger. Vielleicht wird dann die Ruhe zumindest wieder für ein Stück zurück nach beschaulichen Kensington kommen – und das Leben im Stadtteil wieder gemäß seines Mottos abläuft: Quam Bonum in Unum Habitare; how good to dwell in unity.

(epos)

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