Das Rittern um die Individualisten

Mit ungewöhnlichen Konzepten kontern Hotelbetreiber private Billigangebote auf Onlineplattformen wie Airbnb.

Eigentlich wollte die Salzburger Hotelierstocher Theresia Kohlmayr Architektin werden. Nun ist sie über den Umweg Architektur wieder in der Touristikbranche gelandet. Vor fünf Jahren zerbrach sie sich gemeinsam mit anderen Planern und Designern im Rahmen eines städtebaulichen Konzepts den Kopf, wie man die vielen leer stehenden Geschäftslokale in Wien nützen könnte. Die Idee der Gruppe war es dann, in den ebenerdigen Lokalen Hotelzimmer zu schaffen.

Leerstand als Chance

Aus dem schrägen Einfall ist mittlerweile ein erfolgreiches Hotelkonzept geworden. An drei Standorten – Karmelitermarkt, Belvedere und Meidlinger Markt – bietet die mit anderen Partnern aus der Architektur- und Designszene sowie mit Touristikexperten gegründete Urbanauts Hospitality Group sogenannte Grätzlhotels mit rund 20 Gästezimmern an. Im Billigsegment ist die Gruppe nicht unterwegs. Zwischen 120 und 160 Euro kosten die Zimmer. Dafür sind sie komplett eingerichtet – mit Kitchenette, Nespresso-Maschine und WLAN. Das Interieur kann sich auch sehen lassen, meint Theresia Kohlmayr: „Schließlich stehen Architektur- und Designbüros dahinter“, sagt sie. Aber das ist schon alles: Es gibt keine Lobby, kein Check-in, kein Frühstück. Die Zimmer werden direkt von der Straße aus betreten, geöffnet wird mit einem Schlüsselcode, den man bei der Buchung erhält. Das ist ebenso wenig ein Handicap wie die Tatsache, dass man hier ebenerdig quasi im Schaufenster übernachtet. Ganz im Gegenteil: In diesen Besonderheiten sehen viele Gäste einen zusätzlichen Reiz. Geführt werden die Grätzlhotels als rein kommerzieller Betrieb. Die Objekte sind meist von den Hauseigentümern, die den Umbau vom leeren Geschäft zum Wohnraum durchführen, langfristig gepachtet. Weitere Standorte werden nicht ausgeschlossen: „Wir müssten aber zehn bis 15 Zimmer an einem Ort realisieren können, damit es sich wirtschaftlich lohnt“, sagt Kohlmayr.
Keine Gewinne will ein anderes ungewöhnliches Nächtigungsprojekt machen, das „Parkhotel in Ottensheim“. Auch bei diesem „Hotel“ war ein Projekt im öffentlichen Raum Ausgangspunkt. Der oberösterreichische Künstler Andreas Strauss schuf vor mehr als einem Jahrzehnt in einem Park nahe dem Linzer Brucknerhaus Schlafzellen: Betonröhren mit komfortablen Betten und Stromanschluss zum Laden der Elektrogeräte. „Die Idee war, im öffentlichen Raum eine Möglichkeit zu bieten, anonym und ungestört zu übernachten“, erzählt Strauss.
Das Projekt mit seinen vier „Zimmern“ – sprich vier Röhren – ist nach Ottensheim übersiedelt und hat mittlerweile eine Filiale im deutschen Ort Bottrop bekommen. Obwohl sich der Komfort in Grenzen hält, ist es gut gebucht. Mitunter, so erzählt Strauss, nützen es sogar Ottensheimer, wenn sie sich einmal für eine Nacht zurückziehen wollen. Wobei Knauser hier um wenig Geld übernachten können: Es gilt das Prinzip „Pay as you wish“.
Solche ideenreiche Übernachtungsmöglichkeiten präsentieren sich als erfolgreiche Alternative zu Privatzimmervermietern, die über Airbnb und andere Plattformen Gäste ködern. Sie sind unverwechselbar und bringen ihren Gästen einen emotionalen Mehrwert, ein Nächtigungserlebnis, an das man sich wahrscheinlich für den Rest seines Lebens erinnert. Wobei diesen Anspruch noch etliche andere Hotels dieser Welt erfüllen und teilweise sogar toppen. In Amsterdam und einigen anderen Hafenstädten etwa bieten sich schwimmende Capsule Hotels an. Für dieses Projekt hat die Künstlergruppe Free Architecture Surf Terrain (F.A.S.T) Rettungskapseln von Ölplattformen in schwimmende Zimmer umgewandelt. Bis zu drei Personen finden in diesen Kapseln Platz, die teilweise recht originell eingerichtet sind – und zumindest eine chemische Toilette bieten.

Stockbetten im Luxushotel

In dieses Konzept fügt sich auch ein Angebot des im Herbst des Vorjahres eröffneten Fünfsternehotels Grand Ferdinand am Schubertring in Wien. Dort, wo Gäste für eine Suite schon einmal 3000 Euro pro Nacht auf den Tisch legen, wurden zwei Schlafsäle Airbnb-Buchern vorbehalten. Sie bieten jeweils Platz für sechs bis acht Personen, eine Nacht im Stockbett kostet 30 Euro. „Die Schlafsäle werden oft gebucht und gut angenommen“, erzählt Betreiber Florian Weizer. „Sie sind ein Experiment, das jungen Leuten mit wenig Geld ermöglichen soll, die Schönheit und Eleganz unseres Hauses dennoch zu erleben.“ www.dasparkhotel.net, www.graetzlhotel.com, http://grandferdinand.com,
hotelcapsule.wordpress.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.