Die totale Vernetzung unserer Städte

Zukunft. Das Internet der Dinge wird unsere Städte revolutionieren. Und Smart Grids vernetzen alle urbanen Akteure.

Das traditionelle Internet war gestern, heute und morgen kommt das Internet of Things. Das wird das Leben der Menschen von Grund auf revolutionieren“, prophezeit Jeremy Rifkin, Gründer und Präsident der Foundation on Economic Trends (FOET). Was er damit im Detail meint, erläuterte der amerikanische Ökonom in seinem Vortrag „Intelligente Vernetzung von Regionen und Städten: Die dritte industrielle Revolution“ bei der Thinktank-Veranstaltung re.comm, die Ende November in Kitzbühel über die Bühne ging.

Energie erzeugen

Bereits jetzt sorgen Milliarden von Sensoren, die Anwendungen und Objekte, Straßen und Logistikzentren, Immobilien und Unternehmen miteinander vernetzen, dafür, dass ein riesiges Netzwerk am Entstehen ist. Bis 2030 sollen laut Prognosen von IBM rund 100 Trilliarden Sensoren die Welt vermessen, das Big Data füttern und die Menschen darin einbinden. In diesem Internet of Things wird laut Rifkin jeder Consumer zum Producer, der nicht nur wie bisher Informationen, sondern künftig auch Energie und physische Dinge produziert und teilt. „Mit unseren Apps und mobilen Technologien haben wir Zugang zu Big Data, kombinieren die Daten mit Analyse-Tools und schaffen damit unsere eigenen Algorithmen. Jeder wird zu seinem kleinen, persönlichen Google-Unternehmen“, lautet Rifkins Vision. Das Kommunikationsinternet, an dem jeder Smartphone-User bereits teilhat, mische sich mit der Sharing Economy, die auch den Energiemarkt beeinflusst. Jeder Nutzer, der über Sonne oder Wind Energie erzeugt, könne diese in den Markt einspeisen.
Wie notwendig die gezielte Einbindung erneuerbarer Energiesysteme im urbanen Raum ist – Rifkin zufolge eine der Grundsäulen für eine intelligente Welt von morgen – legen demografische Daten nahe. Bis 2050 werden laut deutschem Zukunftsinstitut rund 70 Prozent der Menschen in Städten wohnen, Städte, die sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene den Energieverbrauch in neue Dimensionen treiben.
Gefragt ist nunmehr nicht nur die verstärkte Integration von Fotovoltaikanlagen, Solarkollektoren oder Windturbinen in Fassaden und Dächern von Immobilien, ihres Zeichens die weltweit größten Verursacher von CO2-Ausstoß. Vielmehr geht es laut Experten darum, diese Energie unter Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage auch optimal nutzen, speichern und verteilen zu können. Gebäude müssen eng mit den thermischen und elektrischen Netzen kommunizieren, die als Smart Grids das Rückgrat der Energiesysteme bilden.
„Smart Grids sind intelligente Energienetze, die alle Akteure des Energiesystems über ein Kommunikationsnetzwerk miteinander verbinden“, erklärt Andreas Lugmaier, Vorsitzender des Vereins der Technologieplattform Smart Grids Austria. „Alle“ bedeutet Verbraucher, Erzeuger und auch Speicher, damit der Energietransport in beiden Richtungen ermöglicht wird. Als heimisches Best-Practice-Beispiel gilt das seit 2013 betriebene Leitprojekt in Aspern. „Anhand realer Daten aus der Seestadt werden alle Komponenten im Energiesystem miteinbezogen – Gebäude, Netz, Nutzer sowie Informations- und Kommunikationstechnologien bilden die Eckpfeiler unserer Forschungsarbeit“, erklärt Reinhard Brehmer, Geschäftsführer von Aspern Smart City Research (ASCR). Es gehe darum, dezentrale Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch intelligent zu kombinieren. Die Erkenntnisse der ASCR sollen letztendlich auf ganze Städte anwendbar sein und zu einem effizienteren, ressourcenschonenderen Energiesystem beitragen.

Straße überwacht sich selbst

Neben Kommunikation und Energie spielt laut Trendforscher Rifkin eine neue Art von Transport die dritte Schlüsselrolle auf dem Weg zur intelligent vernetzten Welt. Smarte Städte werden dabei zum Dreh- und Angelpunkt für Fahrzeuge oder Straßen, die über Sensoren mit dem Internet der Dinge verknüpft sind. Die Straße von morgen soll sich selbst überwachen, Schäden und Wetterverhältnisse erfassen, sogar Strom erzeugen – und ganz nebenbei den Verkehr optimieren und Unfälle vermeiden. In Entwicklung sind etwa interaktive Straßenbeleuchtungen, die das Licht an die Gegenwart von Straßenteilnehmer anpassen, oder intelligente Verkehrssysteme, die Geschwindigkeiten und Ampelanlagen so regulieren, dass die Dauer der Grünphase auf das Verkehrsaufkommen abgestimmt wird. Navigationssysteme mutieren zu vernetzten Alleskönnern, die nicht nur die Reiseroute managen, sondern Parkmöglichkeiten zeigen und das nächste Hotelzimmer buchen. Auch die Kommunikation der Autos untereinander nutzt das Internets der Dinge. Etwa wenn ein Fahrzeug wegen Unfall oder Panne liegen bleibt und ein Signal an nachfolgende Verkehrsteilnehmer aussendet und bei akuter Gefahr ein automatisiertes Brems- und Ausweichmanöver einleitet. Das macht das Auto dann selbst, ganz im Sinn der Vorteile des voll automatisierten Vehikels.
„Die Vision des selbstfahrenden Autos steht im Raum und die Entwicklung in der Automobilindustrie geht in Richtung Automatisierung: Das Auto soll uns sicher, entspannt und effizient zum Zielort bringen“, so Arno Eichberger, Leiter des Forschungsbereiches Fahrerassistenz, Fahrdynamik, Fahrwerk mit dem Spezialgebiet Automatisiertes Fahren an der TU Graz. Das Argument: Laut Unfallstatistiken werden bis zu 90 Prozent der Verkehrsunfälle primär durch menschliches Fehlverhalten verursacht. Zudem erhöhen falsche Fahrweise und mehr Verkehrsaufkommen den Treibstoffverbrauch und Schadstoffausstoß.
Die Technologien für vernetztes und voll automatisiertes Fahren sind bereits vorhanden, so wie jene für vernetzte Energiesysteme. Für Trendforscher Rifkin scheint klar: „Wir stehen damit an der Schwelle zur dritten industriellen Revolution, die mit neuen Formen der Kommunikationstechniken, neuen Formen der Energie und neuen Formen des Transports alle drei wesentlichen Faktoren einer industriellen Revolution beinhaltet.“ Der Weg zu einer smarten, wirtschaftlich und ökologisch effizienteren Welt sei „im Prinzip geebnet“.

Info zur Re.comm

„Think outside the Box“ lautete das Motto des Innovationsforums re.comm, das vom 18. bis 20. November im K3 KitzKongress an drei Tagen elf Speaker auf der Bühne und rund 200 Player der Immobilienwirtschaft im Publikum begrüßte. Auch in der fünften Auflage des Thinktanks waren die Themen der Vortragenden breit gestreut. Die Impulse dafür gaben unter anderem Poker-Experte Caspar Barry („Risiken und Entscheidungen beim Poker, im Business und im Leben“), Bildungsfachmann Sugata Mitra („Die Zukunft des Lernens“) oder Futurologe Nick Bostrom („Was passiert, wenn unsere Computer klüger werden als wir?“). Über Klimafragen referierten Klimastratege Jorgen Randers („Entwicklungen bis 2052 und zu setzende Maßnahmen“) sowie MIT-Professor Jeffrey C. Grossman („Saubere Energie und sauberes Wasser“). Mit dem Abschlussvortrag von Viktor Mayer-Schönberger („Wie Big Data die Welt verändert“) wurde der Kreis zum Eröffnungsvortrag von Ökonom Jeremy Rifkin geschlossen, der mit der digitalen Vernetzung der Welt „Die dritte industrielle Revolution“ prophezeit.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.