"Welche Länder gehörten zum Kaiserreich Österreich?", lautet eine Frage im neuen Staatsbürgerschaftstest. Die Antwort lässt Fragen offen.
Wien. Komplizierte geschichtliche Zusammenhänge kurz, prägnant und verständlich formulieren: eine Herkulesaufgabe. Aktuelles Beispiel ist eine Frage im neuen Staatsbürgerschaftstest, die der Staatssekretär für Integration, Sebastian Kurz (ÖVP), am Mittwoch präsentiert hat. „Welche Länder", heißt es, „gehörten zum Kaiserreich Österreich?" A) Slowakei, B) Kroatien, C) Ungarn, D) Finnland. Mehrere Antworten können angekreuzt werden: A, B und C werden als richtig gewertet - und doch sind sie nicht ganz richtig.
Der Habsburger Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, proklamierte sich im Jahr 1804 zum Kaiser und begründete damit das Kaisertum Österreichs (damit wollte er sich dem französischen Kaiser Napoléon Bonaparte ebenbürtig stellen). Die Proklamation hatte keine Auswirkungen auf die bestehenden Verfassungen der Länder des Habsburgerreichs. Ungarn hatte eine eigene Verfassung und eigene Versammlungen der Stände. Man könnte es so ausdrücken: Ungarn war kein Teil des österreichischen Kaiserreichs - territorial begründet -, aber ein Teil des Kaisertums. Man könnte aber wohl auch länger darüber philosophieren.
Geändert hat sich das jedenfalls mit der der letztlich gescheiterten Revolution von 1848: Die habsburgischen Einheitsbestrebungen der neoabsolutistischen Phase führten dazu, dass die ungarische Verfassung aufgehoben wurde. Ab diesem Zeitpunkt bis zum österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 kann die oben genannte Antwort auf die Frage auch tatsächlich richtig sein. Nach dem Ausgleich aber wurde aus dem Kaisertum Österreich die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, beide Länder erhielten eigene Verfassungen, und die Kaiserwürde galt für Ungarn nun nicht mehr. Bis zum Zerfall der Monarchie 1918. Auch die Rolle der Slowakei und Kroatien ist eigentlich nicht einfach zu beantworten.
Die Slowakei war ein territorial eingegliederter Teil der ungarischen Stephanskrone, Kroatien ein eigener Teil mit eigenem Landtag und eigener Verfassung.
Vereinfacht formuliert
Der Test wurde vom Integrationsstaatssekretariat in Auftrag gegeben und von den Universitätsprofessoren Heinz Faßmann und Rainer Münz formuliert. Man sei sich bewusst, dass die Fragen vereinfacht und gegenwartsorientiert formuliert seien, schließlich gab es auch die Slowakei noch nicht, heißt es im Staatssekretariat. Übrigens: Fehler, wie falsche Jahreszahlen, gab es auch im alten Staatsbürgerschaftstest. Klar ist bei der oben genannten Frage eigentlich nur eines: Finnland war nie Teil des Kaiserreichs.
Auf einen Blick
Eine Frage im neuen Staatsbürgerschaftstest lautet: „Welche Länder gehörten zum Kaiserreich Österreich?“ Die richtigen Antworten – Slowakei, Kroatien, Ungarn – sind nur teilweise richtig bzw. zu vereinfacht wiedergegeben. Vor dem Jahr 1804 und nach dem Jahr 1867 (Ausgleich) hatte Ungarn eine eigene Verfassung, nach dem Ausgleich galt hier die Kaiserwürde nicht mehr.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2013)