Wahl: SPÖ will Klarheit von ÖVP

Koalition. Ein Strategiepapier der ÖVP löst heftigen Wirbel in der Regierung aus. Für einen Neuwahltermin am 1. Juni schiebt man sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Wien(c.d./red.).Nach Bekanntwerden eines ÖVP-Strategiepapiers für Neuwahlen am 1.Juni ist das Misstrauen in der Großen Koalition mit einem Schlag noch größer geworden. Die empörte SPÖ verlangte am Sonntag eine Klarstellung von Vizekanzler ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer. Außerdem hagelte es gegenseitige Schuldzuweisungen wegen des Stillstandes in der Koalition.

Auslöser für die aufgeregten Stellungnahmen war ein Strategiepapier der ÖVP, das im Nachrichtenmagazin „profil“ veröffentlicht wurde. Demnach plant die Volkspartei bereits akribisch Veranstaltungen und Inserate für einen Wahltermin am 1.Juni. Wahlkampfstart wäre demnach der 1.April. Davor würde die ÖVP als nächsten strategischen Schritt der SPÖ ein „Friedensangebot“ überreichen, das ein weitgehendes Festhalten an den bisherigen ÖVP-Positionen (Steuerreform 2010, Doppelbudget, Ende des Polizei-Untersuchungsausschusses spätestens Ende Juni) beinhaltet. Lehne die SPÖ ab, heißt es, sie habe „aktiv Streit gewählt“. Das Land würde mit Neuwahlen „erlöst“.

Die Reaktion der SPÖ: Sie schickte am Sonntag gleich mehrere nahezu gleichlautende Aussendungen zum Thema aus. „ÖVP-Obmann Molterer muss klarstellen, inwieweit er und seine Partei noch bereit sind, für die Bevölkerung in Österreich zu arbeiten“, ließ Klubobmann Josef Cap verlauten. Ähnliche Töne kamen von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und Oberösterreichs SPÖ-Chef Erich Haider.

„Seit heute wissen wir, dass es in der ÖVP konkrete Pläne für Neuwahlen am 1.Juni gibt, dass ÖVP-Minister Bartenstein diese für weniger wahrscheinlich hält und der steirische ÖVP-Obmann Schützenhöfer befürchtet, dass der Zeitpunkt dafür verstrichen ist. Was wir nicht wissen, ist, wie ÖVP-Obmann Molterer zu diesen Plänen steht“, so Cap. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hatte die ÖVP-Strategie-Gerüchte im „Kurier“ als Säbelrasseln abgetan.

Der Burgenländer Niessl und der Oberösterreicher Haider forderten die ÖVP auf, sich zu entscheiden, ob sie mit der SPÖ gemeinsam regieren oder die Regierungsarbeit blockieren wolle. Dabei ist der Ärger der SPÖ-Länderchefs offenbar schon ziemlich groß. Es könne nicht sein, polterte Haider, dass eine Partei – nämlich die ÖVP – zuerst alles blockiere, um sich dann hinzustellen und über die Blockade zu jammern und Neuwahlen zu verlangen.

Das stellte die ÖVP natürlich in Abrede. Generalsekretär Hannes Missethon appellierte seinerseits an die SPÖ, „auf den Weg des gemeinsamen Regierungsprogrammes zurückzukehren“. Für die ÖVP gelte nur dieses Papier. Auf die Vorwürfe der SPÖ antwortete er mit ähnlichen Beschuldigungen: Statt tatsächlich an die Arbeit zu gehen, „bastelt die SPÖ an einer Minderheitsregierung“.

Die Opposition reagierte auf das Schauspiel der Regierungsparteien relativ gelassen. Die Grünen forderten jedenfalls einmal einen Offenbarungseid, dass die Regierung noch handlungsfähig ist. Die FPÖ rechnet damit, dass die ÖVP ihr Eskalationsszenario nach Ostern starten wird. Das BZÖ sieht die ÖVP „im Faulbett der Machtstrategien“.

Millionen für Wahlstrategien

Geld dürften die beiden Großparteien zur Genüge haben. Schließlich können sie auf Mittel aus der öffentlichen Parteienfinanzierung von jeweils rund 100 Millionen Euro (Details siehe Grafik) zurückgreifen. Politikwissenschaftler Hubert Sickinger fordert wegen der Höhe der öffentlichen Förderungen mehr Transparenz bei privaten Parteispenden. „Die SPÖ ist mittlerweile schon relativ weichgeklopft, aber die ÖVP will hartköpfig nicht“, so Sickinger.

APA, Sickinger

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2008)

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