Diffizile Kompetenzen des Kanzlers

Koordination seiner Minister: Das ist die zentrale Aufgabe des Regierungschefs.

WIEN (ewi). Der Bundeskanzler außer Haus, Wilhelm Molterer und Werner Faymann verhandeln inzwischen im Bundeskanzleramt: Ist dies ein Zeichen von Desinteresse des Regierungschefs, oder hatte Alfred Gusenbauer gar nicht das Recht, an dem Gespräch der beiden Parteichefs teilzunehmen?

Freilich sind Molterer und Faymann Mitglieder der Bundesregierung – Vizekanzler und Fachminister – und somit ist das Treffen am Sitz der Bundesregierung durchaus nachvollziehbar. Kanzler Gusenbauer kann aber nicht so ohne weiteres ausgeschlossen werden. Über seine Minister hat er nämlich eine Koordinationskompetenz, diese ist „eine der zentralen Obliegenheiten des Bundeskanzlers“, wie Staatsrechtler Manfried Welan in seiner umfangreichen Abhandlung über den österreichischen Bundeskanzler festhält. In der Anlage zum Bundesministeriumsgesetz heißt es zudem zu den Aufgaben des Kanzlers: „Hinwirken auf die Wahrung der Einheitlichkeit der allgemeinen Regierungspolitik.“ Gusenbauer kann und soll auf seine Minister einwirken, mehr nicht. Über ein Weisungsrecht oder eine Richtlinienbefugnis (deutsche Verfassung) verfügt er nicht.

Gusenbauer-Vorstoß gescheitert

Welan weist daraufhin, dass in Österreich die ständisch-autoritäre Verfassung 1934 die Richtlinienkompetenz gekannt hat. Bundeskanzler Viktor Klima hat sich im Wahlkampf 1999 wieder für diese ausgesprochen – und Alfred Gusenbauer erst vor anderthalb Monaten im ORF ebenfalls. Diesen Vorstoß lehnten aber umgehend alle Parteien ab, auch seine eigene.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.