Eva Glawischnig: "Kopftuch tragen nicht verbieten"

Grünen-Chefin Eva Glawischnig
Grünen-Chefin Eva GlawischnigDie Presse
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Grünen-Chefin Eva Glawischnig über den rot-grünen Wahlaufruf für die linksradikale Syriza, "die Einzelfälle" bei der Integrationsverweigerung und das Verbot von Spätabtreibungen.

Wie fanden Sie jenes Video, in dem acht Nationalratsabgeordnete, darunter vier Grüne, dazu aufriefen, in Griechenland die linksradikale Syriza zu wählen?

Eva Glawischnig: Ich habe das Video erst im Nachhinein gesehen. Es ist jedem Abgeordneten unbenommen, sich zu politischen Vorgängen in einem anderem Land zu äußern. Allerdings gab es keine offizielle Unterstützung der Grünen. Das war dann eine persönliche Wahlempfehlung.

Syriza gehört nicht der Parteienfamilie der Europäischen Grünen an. Es ist eine Sammelbewegung aus Postkommunisten, Trotzkisten, Maoisten. Sollen Grüne da mitmachen?

Im Video ging es darum, die Inhalte zu unterstützen. Die einseitige europäische Kürzungspolitik war der falsche Kurs. Es hat die Hoffnung bestanden, dass von dieser Politik Abstand genommen wird. Es braucht Investitionen. Auch in Österreich. Da würde es jetzt ein Arbeitsmarktpaket brauchen.

Syriza koaliert nun mit einer rechtspopulistischen Partei. Man stelle sich vor, die FPÖ käme bei uns wieder in eine Regierung, wie die Grünen da aufschreien würden.

Das ist für mich natürlich sehr unerfreulich. Sie sind antisemitisch, radikal rechtspopulistisch. Wie sich das auf die Situation in Griechenland auswirkt, ist aus meiner Sicht noch offen. Und da gibt es ja noch andere Kritikpunkte: Keine Frauen in Ministerämtern et cetera.

In Österreich hat Franz Voves Sanktionen bei Integrationsverweigerung gefordert. Sie sind da wahrscheinlich dagegen?

Das ist ja vollkommen faktenbefreit. Extrem emotional. Und überhaupt nicht durchdacht. Die Steiermark hat die schlechteste Kinderbetreuungssituation in ganz Österreich. Ich halte überhaupt nichts davon, Jugendlichen dann mit Strafen – unter Anführungszeichen – Werte einzubläuen. Da muss man schon beim Kindergarten ansetzen. Man sollte endlich ein zweites verpflichtendes Gratiskindergartenjahr einführen. Die sprachliche Sicherheit muss mit sechs Jahren gegeben sein.

Da ich annehme, dass Sie Feministin sind: Stört es Sie nicht, wenn Mädchen gezwungen werden, mit Kopftuch in die Schule zu gehen, am Schwimmunterricht nicht teilnehmen dürfen oder Väter sich weigern, mit Lehrerinnen zu sprechen oder ihnen die Hand zu geben?

Mein Sohn ist im 16. Bezirk in einer echten Multikulti-Volksschule, da gibt es diese Probleme nicht. Und ich hätte da jetzt einfach gern Fakten: Wie viele solcher Fälle gibt es tatsächlich? Ohne Anlass wird jetzt auf Jugendliche hingehauen.

Der Anlass waren die Attentate von Paris.

Und deswegen müssen wir bei uns auf Volksschulkinder hinhauen?

Es gibt also kaum Integrationsprobleme?

Es mag Einzelfälle natürlich geben, mit Sicherheit gibt es sie. Aber wenn man das wirklich lösen will, muss man bei den Schwächen des Systems ansetzen. Einen Dreizehnjährigen abzustrafen, weil er die Schule schwänzt, ist sinnlos. Da ist es zu spät. Wenn ich sehe, eine Familie ist nicht alphabetisiert, dann merke ich das schon im Kindergarten.

Aber hat Voves nicht recht: Es wurde lang nicht über Integrationsprobleme geredet – aus Angst, an der FPÖ anzustreifen.

Mein Eindruck ist ein anderer: Es ist ein Superwahljahr. Da wird nur Stimmung gemacht. Und ich will jungen Mädchen nicht verbieten, das Kopftuch zu tragen. Dann kommen sie vielleicht gar nicht mehr in die Schule und sind ab dem nächsten Sommer auch nicht mehr in Österreich.

Soll im Pausenhof ausschließlich Deutsch gesprochen werden, wie dies der oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer fordert?

Deutsch ist der wesentliche Schlüssel zur Integration. Ohne Zweifel. Deswegen sind wir ja auch für das verpflichtende zweite Kindergartenjahr. Sonst bin ich über Mehrsprachigkeit eher begeistert als entsetzt.

Soll Österreichern, die in den Jihad ziehen, die Staatsbürgerschaft aberkannt werden?

Ein juristisch schwieriges Thema. Das ist, weil es bei uns keine Doppelstaatsbürgerschaft gibt, de facto nicht möglich. Für diese Doppelstaatsbürgerschaft treten wir seit Langem ein.

Behindertenanwalt Erwin Buchinger hat die Abtreibungsdebatte neu entfacht: Er fordert, Spätabtreibungen behinderter Kinder zu verbieten. Wie stehen Sie dazu?

Diese eugenische Indikation wird, was ich höre, nicht ausgeübt. Da gibt es eine ethische Grenze, die die Ärzte auch ziehen. Die Frage ist, ob man aufgrund der besseren Diagnosemöglichkeiten zu einer Fristverkürzung kommen könnte. Das ist eine Diskussion, die man doch führen muss.

Steckbrief

Eva Glawischnig-Piesczek,geboren am 28. Februar 1969 in Villach, ist seit 1999 grüne Abgeordnete zum Nationalrat. Von Oktober 2006 bis Oktober 2008 war sie Dritte Nationalratspräsidentin. Seit 17. Jänner 2009 ist sie Bundessprecherin der Grünen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2015)

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