Traiskirchen: Kardinal war flinker als der Kanzler

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wiens Erzbischof Christoph Schönborn ist – unbemerkt von der Öffentlichkeit – angesichts des Ansturms von Flüchtlingen alles andere als untätig.

Wien. Es wurde nicht nur nicht an die große, sondern an gar keine Glocke gehängt: Kardinal Christoph Schönborn hat nicht erst jetzt, wie die Staatsspitze am Mittwoch, sondern schon im Juli das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen besucht. Und, nebenbei bemerkt, offensichtlich auch nicht zum ersten Mal.

Nur eben mit dem Unterschied, dass man diesen Besuch von Österreichs ranghöchstem katholischen Würdenträger nicht durchsickern ließ, wie das bei der jüngsten Inspektion durch Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner der Fall war. Ein enger Mitarbeiter Schönborns, dessen Flüchtlingsbeauftragter Manuel Baghdi, ist ohnedies mehr oder weniger Dauergast in Traiskirchen. Die Kommunikation mit der mittlerweile größten Flüchtlingsgruppe, den Syrern, dürfte dem gebürtigen Syrer leichtfallen. Immer wieder vermittelt er auch in besonderen Notfällen Quartiere. Tu Gutes, und rede nicht darüber, scheint das Motto Kardinal Schönborns und seiner Umgebung zu sein.

Ohne mediale Begleitmusik ist der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz auch mit der Innenministerin immer wieder in Kontakt, um beim Aufstellen von Quartieren zu helfen.

Abgelehnte Unterkünfte

Angesichts etlicher Probleme begrüßt die Bischofskonferenz auch, dass sich die Koalitionsparteien, SPÖ und ÖVP, mit den Grünen auf ein Verfassungsgesetz einigen konnten, das ein Durchgriffsrecht des Bundes verankert. Nicht ein Mal wurden Unterkünfte, die Pfarren, Orden oder Bischöfe vorgeschlagen hatten, abgelehnt, weil der politische Wille des zuständigen Bürgermeisters dafür fehlte, genannte Räumlichkeiten (überzogenen) behördlichen Vorgaben nicht entsprachen, oder weil sich keine Organisation fand, die eine Betreuung vor Ort sicherstellen hätte können.

Darauf machte auch die Vorsitzende der Vereinigung der Frauenorden, Beatrix Mayrhofer, in der neuen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“ aufmerksam. Es sei „schon etwas heuchlerisch“, der katholischen Kirche zu wenig Engagement bei der Unterbringung von Flüchtlingen vorzuwerfen. Sie habe manchmal den Eindruck, dass man gar nicht wahrhaben wolle, was auf diesem Gebiet schon bisher geleistet worden sei. Freilich müsse für Christen immer lauten, so Mayrhofer: „Was können wir noch tun? Denn wir tun immer zu wenig – und zwar wir alle.“
Mittlerweile wird fast jeder dritte Asylwerber in der Grundversorgung von der Caritas betreut, der Hilfseinrichtung der katholischen Kirche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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