Spielfeld: Überrannt und überfordert

AUSTRIA MIGRANTS REFUGEES CRISIS
AUSTRIA MIGRANTS REFUGEES CRISIS(c) APA/EPA/ERWIN SCHERIAU (ERWIN SCHERIAU)
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In der Südsteiermark ist die Stimmung aufgeheizt, die Flüchtlinge durchbrechen die Barrieren. Die Vorbereitungen waren nicht ausreichend – für Traiskirchen werden neue Lösungen präsentiert.

Spielfeld. Seit Wochen bereitet man sich in der Steiermark auf den großen Flüchtlings-ansturm vor, baut Zelte auf, errichtet Checkpoints, die NGOs sind gerüstet. Als der Flüchtlingsstrom dann seit vergangenem Wochenende mit der Fertigstellung des ungarischen Zauns zu Kroatien tatsächlich einsetzte, war man trotzdem nur sehr kurz Herr der Lage.

Am Donnerstag mussten die Schleusensysteme aus Absperrgittern der Sammelstelle Spielfeld in der Südsteiermark geöffnet werden, weil die Flüchtlinge, die schon Stunden im Freien gestanden waren und teilweise dort übernachtet hatten, gegen die Barrieren gedrängt hatten. „Verletzungen und Tumulte sollen vermieden werden“, argumentierte Polizeisprecher Fritz Grundnig. Die Konsequenz des Durchbruchs war, dass sich tausende Flüchtlinge auf jenem Platz verteilten, wo die Busse für den Weitertransport standen – die daraufhin nicht mehr wegfahren konnten. Die Menschenmasse wuchs, und mit ihr die Ungeduld. Das Rote Kreuz sprach von einer angespannten Situation.

Am Mittwoch durchbrachen tausende Flüchtlinge schon einmal die Absperrungen und machten sich zu Fuß in Richtung Deutschland auf. Etliche kehrten wieder um, als sie bemerkten, dass die Grenze zu weit entfernt ist, andere fuhren mit Taxis weiter oder strandeten in nahe gelegenen Ortschaften.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) und der steirische Landeshauptmann, Hermann Schützenhöfer (ÖVP), machten sich am Donnerstag ein Bild von der Lage in der Sammelstelle. Schützenhöfer sprach von einer „unannehmbaren Situation“. Man müsse die Grenzen schützen können, hat er gesagt und vom Innenministerium mehr Polizisten gefordert – Mikl-Leitner will dem stattgeben, auch die Unterstützung durch das Bundesheer soll verstärkt werden (siehe Seite 1).

Registrierung führt zu Rückstaus

In Nickelsdorf war die Ausgangslage schwieriger, weil es aufgrund von diplomatischen Verstimmungen de facto keine Zusammenarbeit mit den ungarischen Behörden gab. Wie viele Flüchtlinge wann kommen würden, war meist völlig unklar. Dennoch funktionierte die Abwicklung aber einigermaßen reibungslos. In der Steiermark sind die Grundbedingungen besser: Die Kooperation mit Slowenien funktioniert nach Angaben der Polizei reibungslos, organisatorisch ist man gut aufgestellt, laut Angaben der Polizei gibt es auch genug Busse für den Weitertransport – dennoch gibt es hier größere Probleme als im Burgenland.

Grund dafür dürften ein hausgemachter Rückstau und die spezielle Platzsituation in Spielfeld sein. Anfangs ließ Slowenien die Flüchtlinge nur etappenweise ins Land. Die Menschen wurden registriert, versorgt und nach Rücksprache mit Österreich weitergebracht. Wenn man in Österreich mit der Abwicklung fertig war, wurde die nächste Tranche Menschen zur Grenze gebracht. Was nach guter Organisation klingt, verursachte aber einen Rückstau zu Kroatien – lange Aufhalten ließ sich der Ansturm nicht, die Flüchtlinge strömen zu Tausenden über die grüne Grenze. Derzeit befinden sich laut Schätzungen 34.000 Menschen im kleinen EU-Land Slowenien – allein in den vergangenen 24Stunden kamen mehr als 12.000 Menschen über die Grenze, tausende werden folgen. Slowenien ist völlig überfordert und hat die EU um personelle Hilfe gebeten. Diese Entwicklungen setzen sich in Österreich fort.

In Spielberg hat man sich zum Ziel gesetzt, alle Menschen zu registrieren. In Nickelsdorf wurde bewusst darauf verzichtet. Die Menschen würden durch das stundenlange Warten ungeduldig, das würde Tumulte auslösen, wurde damals seitens der Polizei argumentiert – genau dieses Szenario tritt nun in Spielfeld ein. Das kalte Herbstwetter, Wind und Regen sowie beengte Platzverhältnisse in der Sammelstelle tun ihr Übriges, sodass Nerven endgültig blankliegen. Die Caritas forderte Donnerstag wetterfeste Unterkünfte an der Sammelstelle.

Lösungen für Traiskirchen

Auch in der überfüllten Aufnahmestelle Traiskirchen in Niederösterreich arbeitet man an einer Lösung für die kalten Wintermonate. Die Regierung hatte Anfang September den UNHCR-Sonderbeauftragten Kilian Kleinschmidt engagiert, der das Innenministerium in Flüchtlingsfragen beraten soll. Am Donnerstag fand der ehemalige Leiter des Flüchtlingslagers Zaatari in Jordanien, wo bis zu 100.000 Menschen lebten, lobende Worte. Man habe die Obdachlosigkeit ernst genommen, auch der Kindergarten funktioniere wieder, sagte er. Die Zelte, die nicht winterfest waren, seien alle geräumt worden. Einige organisatorische Änderungen soll es noch geben und WLAN eingerichtet werden. Er stellt fest: Zu große Lager seien aber generell problematisch – er plädiert darum für kleinere Einheiten.

AUF EINEN BLICK

Balkanroute. Vergangenes Wochenende stellte Ungarn den Grenzzaun zu Kroatien fertig. Seitdem kommen die Flüchtlinge über Slowenien nach Österreich, um nach Deutschland weiterzureisen. Derzeit sind 34.000 Flüchtlinge in Slowenien, allein am Mittwoch kamen innerhalb von 24 Stunden 12.600 Menschen an. Das kleine EU-Land hat personelle Hilfe aus den EU-Staaten angefordert. In der Sammelstelle Spielfeld sollen Flüchtlinge registriert werden. Seit heute, Freitag, ist eine weitere Bundesheerkompanie dort stationiert.

Anmerkung der Redaktion

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2015)

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