Warum Negative Campaigning zum politischen Geschäft gehört

Warum Negative Campaigning zum politischen Geschäft gehört
Warum Negative Campaigning zum politischen Geschäft gehört(c) Presse (Fabry)
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Negative Campaigning sei "State of the Art", sagt Politikberater Hofer. Der frühere SP-Geschäftsführer Kalina nennt die aktuelle Aufregung in der ÖVP "gekünstelt".

Angebliche Nachforschungen der SPÖ im Privatleben von ÖVP-Minister Sebastian Kurz lassen in der Volkspartei seit Tagen die Wogen hochgehen: Mehrere schwarze Minister übten deshalb scharfe Kritik an der SPÖ und an deren Chef und Bundeskanzler Christian Kern. Politikexperten sprechen von einem normalen Vorgang. Thomas Hofer warnt zunächst vor einer Begriffsverwirrung: "Wir müssen zwischen Negative Campaigning und Dirty Campaigning unterscheiden." Der Unterschied ist laut Hofer wesentlich. "Bei letzterem werden nicht beweisbare Gerüchte bewusst gestreut, um den Gegner zu desavouieren. "Das ist eine Grenze, die nicht überschritten werden darf." Als Beispiel nennt Hofer etwa die Falschinfos über eine angebliche Krebserkrankung des gewählten Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen im jüngsten Präsidentschaftswahlkampf.

Negativ Campaigning gehöre indes zum professionellen Handwerk von Kampagnen. Dass sogenannte Opposition Research-Abteilungen in den Parten versuchen rauszufinden, wo man dem Gegner am Zeug flicken kann, sei "State of the Art - ohne es heiligsprechen zu wollen", erklärt der Politikexperte. Dazu zählten etwa in der jüngeren Vergangenheit Van der Bellens Haltung zur Zwentendorf-Volksabstimmung oder sein KPÖ-Wahlgeständnis, aber auch Norbert Hofers Herausgeberschaft eines Buches mit reaktionären und frauenfeindlichen Inhalten.

"Das muss eine professionelle Kampagne machen", so Thomas Hofer. Besonders gut sei dies der SPÖ 2006 gelungen. Nach dem BAWAG-ÖGB-Skandal versuchte die Partei unter Alfred Gusenbauer, potenzielle Wähler mit Angriffen auf ÖVP-Chef und Kanzler Wolfgang Schüssel zur Wahl zu motivieren. Mit "Lüge"-Sujets oder einem legendären Eurofighter-Inserat ("Hier fliegt Ihre Pensionserhöhung") wurde Schüssel direkt attackiert: Die ÖVP wolle "unser Wasser" verkaufen sowie Schulgeld und eine Pkw-Maut einführen, hieß es aus dem SPÖ-"Warroom".

Gerüchte um Schüssels Schwiegermutter

Auch Ansätze von Dirty Campaigning gab es damals, etwa als Schüssel in Medienberichten beschuldigt wurde, eine illegale Pflegerin für seine Schwiegermutter engagiert zu haben. Eine Aktion, die von ÖVP-Granden dem SPÖ-Berater Tal Silberstein zugeschrieben wurde, der nun auch wegen der angeblichen Durchleuchtung von Kurz ins Visier der ÖVP geraten ist. Der israelische Kampagnenberater hat in Österreich bisher SPÖ und Neos beraten.

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hörte rund um die Landtagswahl 2001 auf seinen Rat, Alfred Gusenbauer bei den Nationalratswahlen 2002 und 2006. Im Wiener Wahlkampf 2015 arbeitete Silberstein für die Neos. Umfragen, die Definition von Zielgruppen und Motivforschung sowie die Entwicklung von Negativkampagnen gehören zu den Spezialgebieten Silbersteins. "Es gibt keine Demokratie in Wahlkämpfen", lautet ein von Hofer zitiertes Motto des Kampagnenberaters. Derzeit läuft gegen Silberstein in Rumänien ein Korruptionsverfahren. Politisch motiviert nennt Silberstein dieses.

Der Politikberater Jo Kalina kennt Silberstein sehr gut. Kalina war einst Sprecher der Bundeskanzler und SPÖ-Chefs Viktor Klima und Alfred Gusenbauer sowie SPÖ-Bundesgeschäftsführer. 2006 managte er Seite an Seite mit Silberstein den SPÖ-Wahlkampf. "Silberstein ist ein ganz klassischer internationaler Kampagnenexperte", erzählt Kalina. Und in Kampagnen sei es ganz normal, dass die Spitzenkandidaten der anderen Parteien durchleuchtet werden. "Auch die ÖVP wird jeden Spitzenkandidaten durchleuchten." Und die falsche Schüssel-Pflegerin? "Wir waren das damals nicht."

Negative Campaigning als "zweischneidige Waffe"

Wie Hofer betont auch Kalina, dass man zwischen Negative Campaigning und Dirty Campaigning unterscheiden muss. "Wir haben uns 2006 zu Negative Campaigning in Richtung Schüssel entschlossen, weil die ÖVP Gusenbauer für den Bawag-Skandal verantwortlich gemacht hat." Man habe sich dabei auf Aussagen Schüssels und die jeweiligen Fakten dazu berufen. "Negative Campaigning gibt es immer. Die Frage ist, wie viel davon vertragen die Wähler. Das ist eine zweischneidige Waffe, die man gekonnt und maßvoll einsetzen muss." Die FPÖ setze diese Methode etwa sei Jahren sehr erfolgreich ein.

Die aktuelle Aufregung in der ÖVP hält Kalina für "total gekünstelt - es gibt ja kein Dirty Campaigning gegen Kurz". Tatsächlich handle es sich um ein "Ablenkungsmanöver" von internen Problemen, glaubt Kalina. Im Übrigen habe auch die Volkspartei ihre Experten für Dirty Campaigning. "Reinhold Lopatka war ja bei den Republikanern."

Negative Campaigning gehöre jedenfalls zum politischen Geschäft. "Jeder Politiker, der heute für ein Politikeramt antritt, muss wissen, dass auch seine Vergangenheit, Privatleben, Kontakte und Einkommen unter die Lupe genommen werden. Ob jemand seine Diplomarbeit geschrieben oder abgeschrieben hat, ist schließlich auch eine Frage des Charakters", so der ehemalige SPÖ-Parteimanager.

(APA)

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