Eine Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hilft Personen, die über die Balkanroute kamen – aber nicht allen.
Wien. Ihr Schützling aus dem Irak, so rügt eine Niederösterreicherin, sei noch am 25. November nach Kroatien abgeschoben worden. Obwohl dies nicht hätte passieren dürfen, meint die Frau.
Tatsächlich war der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in einem am 16. November gefällten Urteil einem Flüchtling, der über Kroatien kam, zur Hilfe gekommen. Allerdings verhängte das Gericht kein generelles Verbot, Personen nach Kroatien zu bringen. Der VwGH erklärte aber in dem Fall, dass die Unterinstanz prüfen müsse, ob die betroffene Person durch „staatlich organisierte Maßnahmen“ weiterreisen durfte. Denn es hatte eine Zeit gegeben, in der die Flüchtlinge auf der Balkanroute von den Staaten gefördert und auch mithilfe Österreichs weiterreisen durften. In diesem Fall könnte die Dublin-Regel nicht greifen, laut der Kroatien als erstes EU-Land, das ein Flüchtling betreten hat, das Asylverfahren führen muss. Zur Frage, wie das mit slowenischen Fällen ist, ist bereits ein Verfahren vor dem EU-Gerichtshof anhängig.
Im Lichte der Judikatur würden alle Fälle noch einmal von den Behörden vor der Überstellung nach Kroatien geprüft werden, heißt es aus dem Innenministerium zur „Presse“. Allerdings könnten von dem Urteil nur Fälle in einem bestimmten Zeitraum (von September 2015 bis Februar 2016) profitieren, als die Grenze offen war. Das begrenze die Zahl stark. Und bei rechtskräftig entschiedenen Fällen finde weiterhin die Überstellung nach Kroatien statt.
Das VwGH-Urteil wirkt also nicht automatisch auf alle, im Streitfall muss man als Asylwerber individuell juristisch kämpfen, wie auch Asylanwalt Wilfried Embacher berichtet. Er versucht gerade, einen bereits nach Kroatien gebrachten Mandanten im Lichte der VwGH-Entscheidung wieder nach Österreich zurückzubringen.
Insgesamt wurden im Vorjahr 451 Asylwerber von Österreich nach Kroatien zurückgebracht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2017)