BP-WAHL: WAHLFEST VAN DER BELLEN

Der Anfang vom rot-schwarzen Ende

Mit der Angelobung von Alexander Van der Bellen ist die Vorherrschaft von SPÖ und ÖVP über Österreich offiziell zu Ende gegangen. Ein Dossier von Philipp Aichinger, Günther Haller, Gregor Käfer, Maria Kronbichler, Dietmar Neuwirth, Oliver Pink, Hellin Sapinski

Der 26. Jänner markiert eine Zeitenwende. Natürlich, ab sofort werden in Österreich an diesem Tag künftig alle neuen Bundespräsidenten angelobt. Aber eine Zeitenwende markiert dieser Tag besonders aus anderem Grund: Seit diesem Tag wird das höchste Amt der Republik Österreich, das Amt des Bundespräsidenten also, nicht mehr von einem Parteigänger der früheren Groß- und heutigen Mittelparteien SPÖ und ÖVP ausgeübt (um den Spezialfall des parteifreien Rudolf Kirchschläger zu berücksichtigen: der wurde auch von der SPÖ Bruno Kreiskys nominiert). Seit diesem Tag sitzt der langjährige frühere Bundessprecher der Grünen Alexander Van der Bellen hinter der wohl weltweit bekanntesten roten Tapetentür an seinem Schreibtisch im grünen (ausgerechnet!) Salon der Wiener Hofburg.

Die Vorherrschaft von SPÖ und ÖVP über Österreich – neben den Bundespräsidenten haben auch alle Bundeskanzler bisher einer der beiden Parteien angehört – ist mit der Angelobung vor der Bundesversammlung ganz offiziell zu Ende gegangen. Auch, wenn die Spitzen von SPÖ und ÖVP für Van der Bellen offen geworben (Christian Kern) oder bekannt haben, Van der Bellen wählen zu wollen (Reinhold Mitterlehner). Dabei war beiden daran gelegen, jedenfalls zu verhindern, dass FPÖ-Kandidat Norbert Hofer in die Hofburg einzieht. 

Schon dass Rot und Schwarz annähernd gleich kläglich gescheitert sind, einen ihrer Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten auch nur in die Stichwahl zu bringen, war eine Zäsur.  Damit hat der Niedergang jener Parteien, die die Zweite Republik aufgebaut haben, mit der Wahl des Nachfolgers Heinz Fischers einen neuen Höhepunkt erreicht.

Timeline: Rote und schwarze Flops, grüne und blaue Rekorde

In den 1970er Jahren machten noch über 90 Prozent der Österreicher bei Nationalratswahlen entweder bei SPÖ oder ÖVP ihr Kreuz. Mittlerweile ist dieser Anteil auf knapp über 51 Prozent geschmolzen – bei Umfragen liegt er längst unter dieser nicht nur symbolisch wichtigen Marke. Mit der Übernahme der FPÖ durch Jörg Haider im Jahr 1986 und dem Etablieren der Grünen sowie anderer Parteien wie Liberales Forum (das wieder verschwunden ist), später Neos oder Team Stronach wurde dieser Prozess erst möglich und beschleunigt.

Van der Bellen ist aus anderem Holz geschnitzt als Fischer

Jetzt also steht ein ehemaliger Grüner an der Spitze der Republik. Und nicht mehr ein früherer SPÖ-Spitzenfunktionär und deklarierter (beinahe) bedingungsloser Befürworter einer Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP auf Bundesebene wie es Van der Bellens Vorgänger Fischer ohne jeden Zweifel bis zuletzt war. Der heutige Alt-Bundespräsident hat es nicht selten verstanden, bei unkittbar erscheinenden Zerwürfnissen oder sachlichen Differenzen zwischen diesen beiden Parteien als Mediator beziehungsweise Moderator zu wirken. Mit dem Griff zum Telefon oder einer Einladung zu diskreten Gesprächen in der Hofburg.

Van der Bellen hingegen ist aus anderem Holz geschnitzt. Er zeigt sich - wenn alles, was er in seinem viele Monate dauernden Wahlkampf zu diesem Thema erklärt hat, für bare Münze genommen werden darf, und es gibt derzeit keinen Grund, daran zu zweifeln - auch sogenannten Experimenten gegenüber durchaus aufgeschlossen. Also beispielsweise einer Minderheitsregierung oder natürlich einer Koalition, die aus drei Parteien besteht, wie das in manchen Bundesländern ja bereits vorexerziert wird. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit könnte eine Fortsetzung der Koalition von SPÖ und ÖVP ja auch aus arithmetischen Gründen nach der nächsten Nationalratswahl gar nicht (mehr) möglich sein.

Nur eine Variante erscheint für Van der Bellen ausgeschlossen: Dass er FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit einer Regierungsbildung beauftragt. Wobei: Auch Van der Bellens Vor-Vorgänger Thomas Klestil hatte ähnliche Vorbehalte gegenüber der FPÖ. Der wurde aber bei der schwarz-blauen Wende 2000 von Wolfgang Schüssel ganz ohne Regierungsauftrag aber mit der Macht des Faktischen, einer Mehrheit im Nationalrat nämlich, düpiert. Der Rest ist Geschichte.


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