Die Kerns in der Sektion ohne Namen

DISKUSSION SEKTION OHNE NAMEN 'WORAUF WARTEN? ZUKUNFTSPLAN FUeR OeSTERREICH': BK KERN
DISKUSSION SEKTION OHNE NAMEN 'WORAUF WARTEN? ZUKUNFTSPLAN FUeR OeSTERREICH': BK KERNAPA/SPÖ/JOHANNES ZINNER
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Auszeit vom Regierungskrach: Bundeskanzler Christian Kern diskutierte am Dienstagabend in jener Vorfeldorganisation der SPÖ über den Plan A, in der auch sein Sohn ist.

Wien. Seit einem dreiviertel Jahr gibt es die Sektion ohne Namen in der SPÖ. Eine Gruppe von jungen, modernen Menschen, viele durchaus unternehmerfreundlich, hat sich hier zusammengefunden. Eine Art Realo-Gegenstück zur dezidiert linken Sektion 8 sozusagen. Chef ist Oliver Stauber, Rechtsanwalt in Wien, der in seiner Kärntner Heimat auch schon einmal als Landesrat gehandelt wurde. Sein Vater ist der frühere SPÖ-Nationalratsabgeordnete Peter Stauber, heute noch Bürgermeister von St. Andrä im Lavanttal.

Und apropos Vater: Auch Christian Kerns Sohn Nikolaus ist in der Sektion ohne Namen. Gestern abend hat diese den SPÖ-Vorsitzenden zur Diskussion über seinen Plan A eingeladen. In den Ares Tower auf der Donauplatte. Passend für den Start-up-Kanzler.

„Genossen“ gibt es hier keine. Christian Kern begrüßt die Zuhörer mit „Liebe Freundinnen und Freunde“. Es ist für ihn auch eine kleine Auszeit vom Regierungskrach. Danach werde er aber noch einige Telefonate führen und Papiere lesen müsste, erklärt er zu Beginn. Weiter geht er auf die Auseinandersetzungen mit der ÖVP nicht ein.

Kern erzählt vielmehr darüber, wie er selbst zur Sozialdemokratie fand. Weil er die Gesellschaft verstehen und verändern wollte. Die Unzufriedenheit, ja der Zorn auf die Machtverhältnisse seien auch für ihn ein Antrieb gewesen. Die SPÖ habe sich immer als progressive Partei verstanden und müsse das auch bleiben. „Ein Element der Veränderung, ein Katalysator der Fortschritt produziert.“

Später wird Kern sagen, dass die SPÖ nicht mehr nur der Anwalt der Lohnabhängigen sein können. Auch die Unternehmer, vor allem die Ein-Personen-Firmen und die KMU, „das sind unsere Leute“. Hungriger müssten die Sozialdemokraten wieder werden, für Ideen brennen, jeden Tag einen Meter mehr machen als nötig.

Kern bricht auch eine Lanze für die Globalisierung. Diese sei das größte Wohlstandsprojekt in der Geschichte der Menschheit gewesen. Vor 25 Jahren hätten noch 40 Prozent der Menschheit in Armut gelebt, heute seien es elf Prozent. Die Kindersterblichkeit sei so niedrig wie noch nie, die Lebenserwartung so hoch wie nie.

Dennoch gebe es auch Schattenseiten – unter anderm die rechtspopulistischen Bewegungen und ein Ungleichgewicht bei der Vermögensverteilung. Wenn er solche Reden halten würde wie die britische Premierministerin Theresa May, die die Unternehmer davor gewarnt habe, weiterhin Dividendenoptimierung auf dem Rücken ihrer Mitarbeiter zu betreiben, dann würde er – etwa vom Autor dieser Zeilen – als „linkslinks“ gescholten werden.

PISA-Test und Migranten

Breiten Raum nimmt das Bildungsthema ein. Kern bekennt sich zu einem Leistungssystem. Auch Aufnahmsprüfungen wie an den Fachhochschulen üblich finde er in Ordnung. Er selbst habe sich als Student „mit Zeitungsartikeln, Babysitten und Tennisschlägerbespannen“ erhalten. Das empfehle er zwar nicht zwingend zur Nachahmung, aber es sei auch kein großes Problem gewesen. Aufhorchen lässt Kern mit der Bemerkung, dass die schlechten Ergebnisse bei der PISA-Studie vor allem darauf zurückzuführen sind, „dass wir uns im Integrationsbereich zu wenig angestrengt haben.“ Die Ganztagsschule sei jedenfalls ein Schlüsselprojekt – auch damit jene nicht zu kurz kämen, deren Eltern weniger Wert auf Bildung legen würden als andere.

Seine Forderung nach einer Einschränkung der Personenfreizügigkeit bei osteuropäischen Arbeitskräften bekräftigt er. Länder wie Polen oder Ungarn würden Milliarden Euro an EU-Subventionen erhalten, sich aber weigern, Flüchtlinge zu nehmen und dabei zusehen, wie ihre Unternehmen mit Umgehungskonstruktionen billige Arbeitskräfte in Österreich beschäftigen. Zustimmendes Nicken im Publikum.
Und wie findet Christian Kern nun die Sektion ohne Namen? „Das sind junge Leute, die in anderer Form vorgehen, um Menschen zur Sozialdemokratie zu bringen“. Sohn Nikolaus ist sichtlich stolz an diesem Abend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)

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