Van der Bellen und Kern in Brüssel: "Niemand fordert Inländervorrang"

Van der Bellen, Juncker, Kern
Van der Bellen, Juncker, Kern(c) APA/BKA (ANDY WENZEL)
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Die erste Auslandsreise des neuen Bundespräsidenten führte ihn nach Brüssel und damit zu Jean Claude Juncker und Donald Tusk. Bundeskanzler Kern begleitet ihn.

Der neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montagvormittag in Begleitung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) seinen Antrittsbesuch bei der EU begonnen. „Das läuft unter dem Begriff erste Auslandsreise", sagte Van der Bellen am Hinflug im Gespräch mit Journalisten. Es sei aber die Frage, ob die Europäische Union überhaupt als Ausland bezeichnet werden könne. Vielleicht handle es sich ja eher um einen „Hausbesuch", wurde an Bord gescherzt. In Brüssel angekommen, trafen die beiden zunächst EU-Kommissionschef Jean-Claude und sprachen mit ihm über die Probleme am österreichischen Arbeitsmarkt durch das Lohngefälle osteuropäischer Arbeiter. „Wir haben niemand, der in Österreich einen Inländervorrang fordert", betonte Kern im Anschluss daran.

Juncker erklärte, er sei sich mit der österreichischen Bundesregierung darin einig, dass die EU-Entsenderichtlinie nicht zu Sozialdumping und Ausbeutung führen dürfe. Der Kommissionschef warnte zugleich vor jeglicher Ungleichbehandlung von EU-Bürgern: „Der Binnenmarkt wurde nicht erfunden, damit Arbeitnehmer, die von Land B in ein Land A ziehen, weniger gut behandelt werden als die Arbeitnehmer im Land A. Das ist in keinerlei Weise arbeitnehmerfreundlich, und die Kommission tritt an, um diesem Aspekt des sozialen Dumpings den Garaus zu machen. Das tun wir gemeinsam mit der österreichischen Bundesregierung."

Österreich sei ganz besonders von einem massivem Lohngefälle betroffen, das zu mehr Arbeitslosigkeit als geschaffenen Jobs führe, warnte Kern. Das Problem sei „nicht, dass Menschen aus anderen europäischen Ländern in Österreich bei uns arbeiten, sondern unser Problem ist, dass sie dies nicht zu fairen Konditionen machen". Mehr als ein Fünftel der Arbeitslosen in Österreich seien Ausländer. Zunächst sollten daher Menschen ohne Beschäftigung Jobs finden, nicht Inländer, sondern „Menschen, die in Österreich arbeitslos sind", sagte Kern. Ein klares Bekenntnis zu Europa bedeute, auch Fehlentwicklungen klar anzusprechen und dafür Lösungen zu suchen. „Wir werden das tun im besten europäischen Geist und im Sinne unserer Verpflichtungen", versicherte Kern.

Flug nach Brüssel: Van der Bellen samt Journalisten
Flug nach Brüssel: Van der Bellen samt Journalisten(c) APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER (PETER LECHNER)

Der Bundeskanzler hatte im Jänner für Beschränkungen am Arbeitsmarkt geworben. Konkret sollen Bürger aus jenen Staaten, deren Lohnniveau nicht einmal 80 Prozent des österreichischen erreicht, nur dann in Österreich tätig sein können, wenn keine heimische Arbeitskraft zur Verfügung steht. Im EU-Vertrag ist eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen generell nicht erlaubt.

Van der Bellen erklärte zu dem Gespräch mit Juncker: „Wir haben darüber gesprochen und haben die Komplexität dieser Fragen von verschiedenen Seiten betrachtet."

Rede vor Europaparlament in Straßburg

Bei Van der Bellens Besuch stehen zudem der österreichische EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 sowie die weitere „enge Zusammenarbeit mit den EU-Institutionen" und die Westbalkanregion auf dem Gesprächsprogramm, in der Österreich nach wie vor als „Schirmherr" gesehen werde. Am Dienstag wird das neue Staatsoberhaupt dann eine Rede vor dem Europaparlament in Straßburg halten. Zudem ist ein Gespräch mit Parlamentspräsidenten Antonio Tajani geplant. Nach seiner EU-Reise stattet Van der Bellen in Folge am Donnerstag und Freitag der Nachbarin Schweiz einen offiziellen bilateralen Besuch ab. In Bern ist ein Arbeitsgespräch mit der diesjährigen Bundespräsidentin der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Doris Leuthard, geplant.

Die Schweiz ist kein Mitglied der EU, dieser aber durch bilaterale Verträge eng verbunden. Begleitet wird Van der Bellen dabei von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Am Freitag besucht der Bundespräsident dann die Roche Pharma AG in Basel sowie die technisch-naturwissenschaftlichen Hochschule ETH in Zürich.

(APA/Red.)

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