Integration: Mindestsicherung darf kein Druckmittel sein

Symbolbild: Schlangestehen vor Beantragung der Mindestsicherung
Symbolbild: Schlangestehen vor Beantragung der Mindestsicherung (c) Clemens Fabry
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Forscher und Aktivisten fordern eine Überarbeitung des Integrationsgesetzes. In einem 10-Punkte-Programm fordern mehr Fokus auf Jobvermittlung, Bildung und Wohnraum.

Wissenschafter und Aktivisten fordern die Bundesregierung auf, ihre Pläne zum Integrationsgesetz noch einmal zu überarbeiten. Das von 36 Experten unterstützte Zehn-Punkte-Programm fordert unter anderem mehr Fokus auf Jobvermittlung, Bildung und Wohnraum, psychologische Unterstützung sowie Anreize statt Sanktionen. Für einzelne Punkte des Regierungsentwurfs von Anfang Februar gibt es aber auch Lob.

Das "Integrationsgesetz" der Koalition ist noch bis 8. März in Begutachtung. Es sieht unter anderem ein "Integrationsjahr" mit verpflichtenden Deutsch- und Wertekursen sowie gemeinnützige Arbeit für Asylberechtigte und für Asylwerber mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit vor. Dazu werden auch AMS-Mittel eingesetzt. Wer die Kurse verweigert, riskiert die Kürzung der Mindestsicherung, wer die erste "Integrationsprüfung" nicht binnen zwei Jahren ablegt, eine Geldstrafe.

Mindestsicherung nicht zum Druckmittel machen

Der Soziologe Christoph Reinprecht kritisierte bei der Präsentation des Zehn-Punkte-Programms, dass in derzeitigen Entwurf zu sehr auf Sanktionen und zu wenig auf Anreize gesetzt werde. Er plädiert dafür, die Mindestsicherung nicht als Druckmittel zu verwenden und ausreichend Wohnmöglichkeiten für Migranten zu schaffen. Willi Resetarits vom "Integrationshaus" forderte einen leichteren Arbeitsmarktzugang und eine ordentlichen Entlohnung der gemeinnützigen Arbeit. Die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster setzt indes auf Therapieplätze, denn Flüchtlingen mit posttraumatischen Belastungsstörungen sei das Lernen für die Integrationskurse oft unmöglich. Wenn als Sanktion auch noch die Mindestsicherung gekürzt werde, wirke das "verschärfend".

Die Bildungsexpertin und frühere Direktorin Heidi Schrodt kritisierte, dass die Schulbildung im Gesetz überhaupt fehle.

Forderung nach mehr muttersprachlichen Unterricht

Auf der Haben-Seite steht aus Sicht des Sprachwissenschafters Hans-Jürgen Krumm der Fokus auf Sprachkurse. Er kritisiert aber, dass der Integrationsfonds nach wie vor "Allerweltskurse" vorsehe, anstatt einen Einstieg ins Berufsleben vorzubereiten. Und bei den "Wertekursen" gehe es häufig um Mülltrennung, weil das Sprachniveau für komplexe Themen wie Menschenrechte nicht ausreiche. Krumm fordert daher mehr muttersprachlichen Unterricht.

Positiv sehen die Initiatoren auch, dass erstmals eine Koordinationsstelle für Integrationsforschung geplant ist. Krumm kritisiert allerdings, dass die Forschungskoordinationsstelle Integrationsmaßnahmen nur evaluieren "kann": "Machen Sie aus dem 'kann' ein 'muss'! Der Steuerzahler soll sehen, was er für sein Geld kriegt."

Dass die Regierung den Forderungskatalog großflächig übernimmt, glauben freilich auch die Initiatoren nicht, wie Alexander Pollack von SOS-Mitmensch klar machte: "Wir sind in der glücklichen Lage, keine Koalitionsverhandlungen führen zu müssen. Ich habe mir überlegt, was ist wichtig, und nicht, was ist koalitionsfähig."

>>> Zehn-Punkte-Programm

>>> Gesetzesentwurf

(APA)

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