Krankenkassen: Statt 18 reichen auch fünf aus

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Damit die Milliarden im Gesundheitssystem effizienter eingesetzt werden, spricht sich die Industriellenvereinigung für weniger Krankenkassen aus. Auch das System der Selbstverwaltung soll reformiert werden.

Wien. Österreich leistet sich eines der teuersten Gesundheitssysteme, doch die Milliarden werden nicht effizient eingesetzt. So kritisierte vor Kurzem der Stadtrechnungshof, dass in Wien Krebspatienten zu lange auf eine Strahlentherapie warten müssen. Daher sinken die Heilungschancen. Am Montag legte die Industriellenvereinigung einen Plan zur Modernisierung des Gesundheitswesens vor. Demnach soll die Zahl der Krankenkassen deutlich reduziert werden.

Derzeit leistet sich Österreich 18 verschiedene Krankenkassen. Neben den neun Gebietskrankenkassen (eine für jedes Bundesland) gibt es fünf Betriebskrankenkassen, die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (Beamte), die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau.

Nach Ansicht der Industriellenvereinigung soll es nur noch drei bis vier Krankenkassen für Unselbstständige und eine österreichweite Kasse für Selbstständige geben. Die drei bis vier Krankenkassen für Unselbstständige sollen sich nicht nach Bundesländern, sondern nach topografischen Regionen richten. Basis dafür ist der österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG). Dieser sieht schon die Aufteilung in vier Versorgungszonen vor. In die Versorgungszone Ost fallen das Burgenland, Niederösterreich und Wien. Die Zone Nord umfasst Oberösterreich und Salzburg. Kärnten und die Steiermark fallen in die Zone Süd. Vorarlberg und Tirol sind in der Versorgungszone West.

Die Industriellenvereinigung leitet ihre Forderungen aus einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) ab. Laut „Presse“-Informationen belaufen sich die Kosten für diese Expertise auf 20.000 Euro. Das ist insofern interessant, weil Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) jüngst bei der London School of Economics eine Studie in Auftrag gegeben hat, um die Effizienz des Gesundheits- und Sozialsystems zu durchleuchten. Obwohl die Londoner dafür 630.000 Euro erhalten, wurde der Auftrag nicht ausgeschrieben. Die ÖVP zeigte sich verwundert, da österreichische Forschungsinstitute (wie Wifo und IHS) nicht zum Zug gekommen sind.

Änderungen in der Selbstverwaltung

Dass im Gesundheitssystem so wenig weitergeht, hängt mit dem Einfluss der Sozialpartner zusammen. So werden die Krankenkassen von Selbstverwaltungsorganen geleitet. Dazu entsenden die gesetzlichen Interessenvertretungen (wie Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer) ihre Funktionäre in den Vorstand. Über die Kammern haben SPÖ und ÖVP die Macht in den Sozialversicherungen untereinander aufgeteilt.

Das Institut für Höhere Studien und die Industriellenvereinigung sind auch hier für Änderungen. Demnach sollen professionell ausgebildete Manager die Geschäftsführung übernehmen. Die Funktionäre der gesetzlichen Interessenvertretungen sollen sich hingegen wie Aufsichtsräte auf grundlegende, strategische Entscheidungen und die Überwachung der Geschäftsführung konzentrieren. Diese stärkere Trennung von politischer Zielsetzung und Managementhandeln hat sich in vielen Ländern wie in der Schweiz, in Deutschland und in den Niederlanden durchgesetzt.

AUF EINEN BLICK

Die Industriellenvereinigung legte einen Plan zur Modernisierung des Gesundheitssystems vor. So soll die Zahl der Krankenkassen reduziert werden. Basis für die Vorschläge ist eine Studie des Instituts für Höhere Studien, die 20.000 Euro kostete. Auch Sozialminister Stöger (SPÖ) arbeitet an einer Reform des Sozialversicherungs- und Gesundheitssystems. Er hat dazu für 630.000 Euro eine Studie bei Experten in London in Auftrag gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2017)

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