Kanzler Kern warnt vor bewussten Eskalationsversuchen. Im nahenden Referendum gehe es "mehr oder weniger um die Abschaffung der Demokratie in der Türkei". Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich will er verhindern.
Bundeskanzler Christian Kern hat am späten Montagabend bekräftigt, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich verhindern zu wollen. Beim bevorstehenden Referendum am 16. April gehe es schließlich „mehr oder weniger um die Abschaffung der Demokratie in der Türkei", sagte er in der „ZiB2" des ORF. „Das ist, wenn man so will, eine Pervertierung des Zwecks der Versammlungsfreiheit“, kritisierte der SPÖ-Bundesparteichef.
Kern warnte angesichts der Bilder aus Rotterdam vor bewussten Eskalationsversuchen. Die Frage von Moderator Armin Wolf, ob er zu ähnlichen Mitteln wie die Niederlande greifen würde, die dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Landeerlaubnis verweigert hatten, beantwortete Kern folgendermaßen: „Das ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern dem sind lange Gespräche vorausgegangen – und am Ende war es eine bewusste Provokation der Türkei.“ Er gehe davon aus, „dass die türkische Seite möglicherweise dieses Spiel auch in Österreich fortsetzen könnte", so der Bundeskanzler.
"Wir sollten bei der Frage nicht naiv sein"
Angesprochen auf den SPÖ-Abgeordneten im Europaparlament, Eugen Freund, der zuletzt Gelassenheit im Umgang mit der Türkei Gelassenheit empfohlen hatte („Wenn ein türkischer Minister auftaucht, zeigen wir ihm doch, was eine offene Gesellschaft aushält, da kann er was lernen.“), meinte Kern: „Das ist keine falsche und keine illegitime Analyse.“ Allerdings teile er sie trotzdem nicht, denn: „Ich denke, bei der Frage sollten wir nicht naiv sein.“ Man könne sich nicht alles gefallen lassen, denn es sei eigentlich diplomatische Usance, die Bitte auf Verzicht einer Veranstaltung zu respektieren.
Der Kanzler räumte ein, dass die Bürgermeister hierzulande schon jetzt die Handhabe hätten, entsprechende Auftritte zu verhindern. Auf ihnen laste aber ein unheimlicher Druck. Eine entsprechende gesetzliche Regelung sei daher eine Geste, dass Österreich hier gemeinsam zu dieser politischen Entscheidung stehe. Seine Meinung habe er hier nicht geändert, sondern er habe immer die Auffassung vertreten, dass man ein Problem dann lösen müsse, wenn es vorliege. "Es gab nie einen Zweifel an der Haltung, dass wir solche Auftritte nicht wollen." In Sachen europäische Lösung habe er erst heute, Montag, mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gesprochen.
Demonstrationsrecht "erkämpft mit Blut"
Mit der ÖVP gebe es zwar grundsätzlich den Konsens, solche Wahlkampfauftritte verhindern zu wollen. Großflächige Einschränkungen des Demonstrationsrechts könne die SPÖ aber nicht akzeptieren, hätte sie dieses doch "erkämpft mit Blut".
In Sachen österreichisch-türkischer Doppelstaatsbürgerschaften (Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl hat in der "Presse" eine Debatte über illegale Doppelstaatsbürgerschaften angestoßen und dafür plädiert, den Betroffenen in solchen Fällen die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen), meinte er, es sei "kein haltbarer Zustand", dass die Behörden nicht wüssten, um wie viele illegale Doppelstaatsbürgerschaften es sich überhaupt handele. "Die österreichische Staatsbürgerschaft sammelt man nicht wie Briefmarken", so Kern.
Man gebe mit dem Erhalte der österreichischen Staatsbürgerschaft eine Art Bekenntnis ab, betonte Kern weiter, und dieses beinhalte nun einmal, dass man keine zweite daneben habe - „das ist in Österreich bestehende Gesetzeslage und die gehört auch entsprechend evaluiert und kontrolliert“. Man müsse Mittel und Handhaben finden, so der Kanzler unter Verweis auf die in Tirol gegründete Task Force.
Derzeit lässt die Bundesregierung von Experten etwaige Verschärfungen bei illegalen Doppelstaatsbürgerschaften prüfen. Sollten diese Empfehlungen aussprechen, könnte es Änderungen geben.
>>> Kanzler Kern in der "ZiB2" des ORF
(hell/APA)