Grasser muss nach 13 Jahren vor Gericht

Karl-Heinz Grasser
Karl-Heinz Grasser(c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
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Nach dem Verkauf der Bundeswohnungen im Jahr 2004 ist es nun fix: Ex-Finanzminister Grasser und 14 weitere Angeklagte müssen sich wegen Untreue vor Gericht verantworten.

Wien. Das Prädikat steht längst fest: Prozess des Jahres. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien (OLG), die Einsprüche gegen die 825 Seiten dicke Anklageschrift großteils abzuweisen, ist diese rechtskräftig. Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte müssen daher in Sachen Buwog und Terminal Tower vor Gericht. Das Verfahren gegen Grassers Exmitarbeiter Michael Ramprecht wurde eingestellt. Die Justiz hatte die Ermittlungen schon im Herbst 2009 aufgenommen.

1. Welche konkreten Vorwürfe verbergen sich hinter der viel zitierten Buwog-Affäre?

Nach 700 Einvernahmen, nach Abhöraktionen und Razzien meint die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): Es habe einen Tatplan beim Verkauf der Bundeswohnungen an die Immofinanz gegeben. Dabei spielt die Provision von 9,61 Millionen Euro, die die Immofinanz an das PR-Beraterduo Peter Hochegger und Walter Meischberger gezahlt hat, eine maßgebliche Rolle.

Der Verdacht: Grasser habe sein Insiderwissen ausgenützt, um über diese Vertrauten – und den Immobilienmakler Ernst-Karl Plech – Informationen an die Immofinanz weiterzugeben. Dafür soll er einen Teil der Provision kassiert haben. Außer den Genannten gehört auch Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics zu den Angeklagten. Ihm werden Untreue und Bestechung vorgeworfen.

2. Und was hat es mit dem Komplex Terminal Tower auf sich?

Dieselben „Spieler“, dasselbe System: Auch bei der von Grasser gewünschten Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower sollen 200.000Euro geflossen sein. Grasser, Meischberger, Plech und Hochegger sollen das Geld gefordert haben. Das Bürohaus wurde von der Porr Solutions, der Raiffeisen Leasing und der Raiffeisen-OÖ-Tochter Real Treuhand errichtet. Außer Grasser, Meischberger, Hochegger und Plech ist daher auch der Exchef der Raiffeisenlandesbank OÖ, Ludwig Scharinger, angeklagt – sowie weitere Verdächtige.

3. Wie sieht die OLG-Entscheidung genau aus, welche Vorwürfe wurden fallen gelassen?

Das OLG gliedert die Anklage in vier Komplexe: Bei Buwog und Terminal Tower fand es keinen Grund, die Anklageschrift als unzulässig einzustufen. Der Generalvorwurf: Untreue. Aber: Grasser soll schon bei der Auswahl der Bank, die den Buwog-Deal abwickeln sollte – es war das mittlerweile pleitegegangene Institut Lehman Brothers – getrickst haben. Das Verfahren hiezu wurde nun aber eingestellt: „15 Jahre nach dem angenommenen Tatzeitraum“ sei eine Erhärtung des Verdachts nicht zu erwarten. Und: Einige von der WKStA angestellten „Konstatierungen“ seien „großteils spekulativ“.

Auch der Anklagepunkt, der einen durch Grasser mutmaßlich angerichteten Schaden von 35 Millionen Euro thematisiert, hat der richterlichen Prüfung nicht standgehalten. Diese Summe soll dem Staat entgangen sein, weil die Wohnbaugesellschaften im Paket verkauft wurden. Allerdings: Dies sei laut OLG „eine Milchmädchenrechnung“. Weitere Ermittlungen seien nötig.

4. Was sagt Grasser? Wie reagiert die Verteidigung auf den OLG-Entscheid?

Grasser (vormals FPÖ) ist laut seinem Anwalt Manfred Ainedter „derzeit im Ausland“. In einem „Presse“-Interview hat das frühere Mitglied der von Wolfgang Schüssel geführten schwarz-blauen Bundesregierung die seit Jahren bekannten Vorwürfe pauschal zurückgewiesen: „Man hat entschieden, dass man den Kopf des Grasser will. Daher muss das Vorurteil erzeugt werden: Der Grasser ist schuldig.“

Ainedter sagte der „Presse“, es sei „erfreulich, dass die Lehman-Geschichte vom Tisch ist“. Er schließe sich der Kritik des OLG zum Thema Schadensberechnung an. Dass die zwei größten Brocken Teil der Anklage bleiben, kommentiert der Anwalt so: „Der Prozess wird mit Freispruch enden.“

5. Wie geht es nun weiter? Wer leitet den Grasser-Prozess? Was droht den Angeklagten?

Zunächst muss geklärt werden, wer den Monsterprozess, der wohl im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien über die Bühne gehen wird, leiten soll. Derzeit führt die Wiener Strafrichterin Nicole Rumpl den Akt, der schon bei Einbringung der Anklage im Juli 2016 aus 206 dicken Aktenbänden bestanden hat. Zur Erinnerung: Die unvorstellbare Datenmenge von 156.000 Gigabyte ist von den Ermittlern durchforstet worden.

Ob Rumpl den Akt abtritt, ist noch offen. Vieles spricht dafür: Denn einer der Angeklagten, Ex-Immofinanz-Chef Petrikovics, ist derzeit auch in einer anderen Sache angeklagt. Da dazu bereits eine Prozessleiterin bestellt wurde, nämlich die durchaus souveräne Richterin Marion Hohenecker, gilt es als sehr wahrscheinlich, dass diese auch den Grasser-Akt an sich zieht. Der Prozess könnte im Herbst starten.

6. Wie sieht der Weg bis zur Rechtskraft aus, wie lang dauert so ein Verfahren?

Wie lang der Buwog-Prozess dauern wird, ist völlig ungewiss. Eine vom Aufwand her einigermaßen vergleichbare Causa, nämlich der Bawag-Prozess um Helmut Elsner und andere (dort gab es im Vergleich nur neun Angeklagte), zog sich ab Sommer 2007 ein Jahr lang hin (117 Verhandlungstage). Zwischen Anklageerhebung und dem rechtskräftigen Ende der Bawag-Sache, inklusive des Gangs in die zweite Instanz, verstrichen mehr als sieben Jahre.

Weitere Infos:www.diepresse.com/buwog

PROZESS

Karl-Heinz Grasser (Bild) wird nun definitiv als Angeklagter vor Gericht stehen. Es geht um Untreue- und Geschenkannahmevorwürfe im Zusammenhang mit den Causen „Buwog“ und „Terminal Tower“. Dem 48 Jahre alten Ex-Finanzminister drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Insgesamt sind nunmehr 15 Personen angeklagt. Der Prozess könnte im Herbst starten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2017)

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