Warum Grasser bangen muss

Karl-Heinz Grasser (Bild: „Presse“-Exklusivinterview November 2014) blitzte mit seinem Einspruch beim OLG Wien ab.
Karl-Heinz Grasser (Bild: „Presse“-Exklusivinterview November 2014) blitzte mit seinem Einspruch beim OLG Wien ab.(c) Clemens Fabry
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Das Wiener Oberlandesgericht stützt die Grasser-Anklage: Für die Untreue- und Geschenkannahme-Vorwürfe gegen den Ex-Finanzminister gebe es mehrere Gründe.

Wien. Das extrem umfangreiche Buwog-Strafverfahren rund um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und weitere 14 Angeklagte nimmt wieder Fahrt auf. Auch das Oberlandesgericht (OLG) Wien schätzt den zentralen, mit bis zu zehn Jahren Haft bedrohten Untreue-Vorwurf (Geschädigte: die Republik Österreich) als plausibel ein.

Deshalb hat es, wie berichtet, Grassers Einspruch gegen die Anklageschrift in zentralen Punkten abgewiesen. Eine „Presse“-Analyse dieses Beschlusses ergibt: Das OLG tadelt zwar streckenweise die Korruptionsstaatsanwaltschaft, findet aber etliche Gründe, die die „Annahme“ strafbaren Verhaltens Grassers rechtfertigen.

Die Anklagevorwürfe gegen das einstige Mitglied der schwarz-blauen Bundesregierung werden vom OLG geradezu filetiert. Der 167 Seiten starke OLG-Beschluss liegt der „Presse“ vor. In nur schwer lesbaren, teilweise über mehrere A4-Seiten reichenden Schachtelsätzen legt das OLG dar, was dafür spricht, dass auch Grasser bei Provisionszahlungen an die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger (er war Grassers bester Freund und ist dessen Trauzeuge) seine Hand aufhielt – bei Provisionszahlungen, die etwa beim Verkauf der Bundeswohnungen (Buwog) im Jahre 2004 flossen.

Unglaubliche Schachtelsätze

Ein Schlüsselsatz des OLG-Beschlusses in Sachen Buwog lautet, wenn man ihn von Einschüben, Wiederholungen und Klammerausdrücken befreit: „Die Annahme, die Forderung von einem Prozent der gesamten Kaufpreissumme (. . .) durch Dr. Peter Hochegger für die parteiliche Erteilung des Zuschlags im Verkaufsverfahren sei mit dem damaligen Finanzminister Mag. Karl-Heinz Grasser akkordiert gewesen, lässt sich in objektiver Hinsicht – bei entsprechend vernetzter Betrachtung – auf den Umstand gründen, dass ein Drittel des verbliebenen Erfolgshonorars, sohin 2.446.481 Euro, auf das Mag. Karl-Heinz Grasser mit zumindest einfachem Verdacht zuzurechnende Konto 400.815 einbezahlt wurde.“

In diesem Satzungetüm stecken zwei vielsagende Wendungen. Erstens: Die Phrase „bei vernetzter Betrachtung“. Sie bietet einen Eindruck, worauf es im Prozess, der wohl frühstens im Herbst in Wien starten wird, ankommt: auf das Gesamtbild.

Sieht das Gericht in der Gesamtschau aller Indizien (Stichwort: Errichtung von absichtlich kompliziert gehaltenen Kontengeflechten) ein schlüssiges Muster? Wenn ja, droht Grasser eine Verurteilung wegen Untreue, Geschenkannahme und Fälschung eines Beweismittels. Er selbst hat während des langwierigen Ermittlungsverfahrens, 2009 bis 2016, stets alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Das OLG will der Beweiswürdigung durch das zuständige Gericht (Straflandesgericht Wien) nicht vorgreifen. Es sagt nur indirekt, dass „die vorliegenden Indizien in ihrem Zusammenhang eine logisch und empirisch einwandfreie und tragfähige Grundlage für die Annahme eines Tatverdachts bieten“. Aber es hält auch fest, dass es für den von der Anklage angenommenen „Tatplan“, wonach Grasser systematisch vorhatte, bei Projekten des Finanzministeriums einen Teil der Provision zu kassieren, „keine Tatzeugen und keine die Täterschaft (unmittelbar) belegenden Unterlagen“ gebe.

„Zurechnung“ eines Kontos

Zweitens birgt der obige Schlüsselsatz diesen wichtigen Punkt: Das ominöse Konto 400.815, offiziell ein Konto des Mitangeklagten Meischberger, wird Grasser von der Korruptionsstaatsanwaltschaft zugerechnet. Dass es de facto ein geheimes Bestechungskonto des Ministers war, ist bis dato unbewiesen. Dazu sagt der OLG-Beschluss, in der sich durchziehenden abstrakt-trockenen Diktion: Die „Annahme“, Grasser sei wirtschaftlich Berechtigter des Kontos gewesen, gründe sich auf „Umstände“.

Der wohl wichtigste: „Die Erstdotierung des Kontos der Mandarin Group Ltd. mit 500.000 Euro stammte vom Konto 400.815.“ Übersetzt heißt das: Auf einem Konto (Mandarin), das laut Korruptionsstaatsanwaltschaft einen (gemäß OLG zutreffenden) „Nahebezug einiger Bareinzahlungen“ zu Grasser aufweist, soll Geld (500.000 Euro) gelandet sein – Geld, das zuvor auf dem Grasser „zugerechneten“ Konto (400.815) lag. Weniger kompliziert ist die Sache leider nicht.

Dieses Schema gilt auch für den Anklagepunkt Terminal Tower. Hier soll Grasser einen Teil einer 200.000-Euro-Provision bekommen haben, nachdem Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower eingemietet worden waren. Auch das bestreitet er.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2017)

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