Sobotka und Pilz streiten über mögliche Doppelstaatsbürger

Türken, die in Österreich leben, gaben ihre Stimme für das Verfassungsreferendum im türkischen Konsulat ab.
Türken, die in Österreich leben, gaben ihre Stimme für das Verfassungsreferendum im türkischen Konsulat ab.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Es sind Wählerverzeichnisse von Türken aufgetaucht, die Doppelstaatsbürger sein könnten. Innenminister Sobotka und der grüne Abgeordnete Pilz lieferten sich dazu einen verbalen Schlagabtausch.

Wien/Linz. „Noch haben wir nichts.“ Thomas Zauner, Büroleiter des für Staatsbürgerschaften zuständigen oberösterreichischen Landesrates, Elmar Podgorschek (FPÖ), musste Montagmittag die „Presse“ bei der Frage nach Datensätzen über Österreicher, die möglicherweise illegal auch noch einen türkischen Pass haben, vorerst vertrösten.

Ein Bericht des ORF-Oberösterreich hatte zuletzt mit einem Schlag das Thema wieder in den Mittelpunkt gerückt: Das Landesstudio ist in Besitz eines Wählerverzeichnisses von in Österreich lebenden Türken. Diese Liste könnte Aufschluss über Besitzer illegaler Doppelstaatsbürgerschaften geben. Auch der Austria Presse Agentur liegt eine Tabelle mit türkischen Staatsbürgern vor – der grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz ist laut eigenen Angaben gar im Besitz der gänzlichen Wählerliste.

Was passiert nun aber mit diesem Material? Das steht noch nicht fest – aus mehreren Gründen. Denn grundsätzlich sind die Bundesländer dafür zuständig, bei Verdachtsfällen über illegale Staatsbürgerschaften tätig zu werden. Einige Länder – wie eben Oberösterreich – haben großes Interesse daran. Auch die Salzburger Behörden hätten sich schon bei ihm gemeldet, erzählt Pilz der „Presse“. Aber: Er wolle die Liste erst dann herausrücken, wenn das Innenministerium die Koordinierung übernehme. Außerdem müssten Vorkehrungen getroffen werden, dass jene, die ohne ihr Wissen Doppelstaatsbürger waren, keinerlei Nachteile zu erwarten haben.

Denn viele jener, die sich auf der Liste befinden würden, „sind Opfer“, meint Pilz. Was er damit meint: Türken legen ihre Staatsbürgerschaft nieder, um einen österreichischen Pass zu erhalten. Später würden sie die türkischen Behörden unter Druck setzen, ihren alten Pass wieder zurückzunehmen. Ein Argument sei, dass es Österreich ohnehin nicht bemerken würde. Andere Betroffene erzählen, dass sie plötzlich auf Wählerverzeichnissen aufscheinen würden, obwohl sie offiziell die türkische Staatsbürgerschaft niedergelegt hätten. „Diese Personen muss man schützen“, meint Pilz. Es könne nicht sein, dass ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt werde.

Schonfrist für Passabgabe?

Pilz' Parteikollegin Berîvan Aslan schlägt allgemein eine Art Toleranzklausel vor. Betroffene sollten einmalig die Möglichkeit haben, binnen einer bestimmten Frist ihre illegale Doppelstaatsbürgerschaft zurückzulegen. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hatte sich zuletzt gesprächsbereit in diese Richtung gezeigt. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) war zuletzt allerdings skeptisch bis ablehnend.

Eine Koordinierungsarbeit wolle man ohnehin nicht übernehmen, heißt es am Montag zur „Presse“. Man sei in diesem Fall schlicht nicht zuständig – es sei Aufgabe der Länder, potenzielle Doppelstaatsbürger zu überprüfen. Auch zu einer möglichen Schonfrist wolle man nichts sagen. Die Pläne des Innenministeriums gehen aber ohnehin in eine andere Richtung: Minister Sobotka sprach sich zuletzt für die Einführung von Geldstrafen für den Besitz von illegalen Zweitpässen aus.

Sobotka drohe zwar mit 5000 Euro Strafe, aber versuche nicht einmal, die Wählerverzeichnisse zu bekommen, mit denen man den Beweis erbringen könnte, kritisierte Pilz bei der Bürgersalon-Diskussion zum Thema Sicherheit in der Diplomatischen Akademie am Montag. Pilz und Sobotka lieferten sich einen Schlagabtausch auf offener Bühne. Der Innenminister tue nichts, beklagte Pilz. "Es geht nicht um den Populismus", konterte Sobotka. Er bitte jeden, der die nun kursierenden Wahllisten in Händen halte, diese an die zuständigen Behörden der Bundesländer zu übermitteln, die dann Verdachtsfällen nachgehen, betonte Sobotka. 

FPÖ-Landesrat will Daten prüfen

Wie geht es nun also weiter? Sollten die Bemühungen, an die Listen heranzukommen, erfolglos sein, will sich der FPÖ-Landesrat in Linz heute, Dienstag, an den ORF wegen der Daten wenden. Danach müsse man „jeden Fall anschauen“, ob es sich tatsächlich um illegale Zweitpässe handle, es gebe schließlich auch in bestimmten Fälle legale Doppelstaatsbürgerschaften. Dafür müssten Betroffene vorgeladen werden. Die Überprüfung werde also dauern.

Für diesen Fall wird eine Aufstockung des Personals der Behörde notwendig sein. Denn derzeit sind in Linz sechs Mitarbeiter für die Abwicklung aller Staatsbürgerschaftsfragen tätig. „Wenn es die Liste gibt, wird mehr Personal notwendig sein“, betont Podgorscheks Büroleiter. Oberösterreichs Landeshauptmann, Thomas Stelzer (ÖVP), hat dafür schon Verständnis signalisiert. (red./ib)

Auf einen Blick

Doppelstaatsbürgerschaften sind in Österreich grundsätzlich verboten – mit wenigen Ausnahmen. Wer trotzdem einen Zweitpass besitzt, verliert die österreichische Staatsbürgerschaft. Verdachtsfälle zu überprüfen ist Aufgabe der Bundesländer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2017)

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